3.7.21

Die 100 Pop-Stars des Jahrhunderts

Durfte mensch 1997 noch ein Taschenbuch mit dem Titel "Pop-Stars" in der Reihe "Die 100 des Jahrhunderts" herausgeben, deren alphabetisch aufgelisteten Interpret*innen aus folgenden Staaten kommen:

Vereinigte Staaten von Amerika: 48
Vereinigtes Königreich: 37
Deutschland: 6
Kanada: 3
Irland: 2
Schweden, Australien, Jamaika, Italien: je 1
Afrika, Asien, Südamerika: 0

Entschuldigend wird in der Vorbemerkung eingeschränkt, dass nur Interpret*innen (der Frauenanteil besteht aus 9 Einzelkünstlerinnen und 6 Gruppen, bei denen Frauen mitwirken) ab den 1950er Jahren aus dem Pop- und Rockgeschäft ausgewählt wurden plus wenige Künstler*innen aus den Randbereichen, die stilbildend und einflussreich gewesen seien. Wenn die Autoren (an der Erstellung dieses Buches waren keine Frauen beteiligt) allerdings Pop-Stars definieren als Schöpfer neuer Musikrichtungen, deren Songs Jugendliche begeisterten und Erwachsene entsetzten und deren Konzerte Happenings, Hysteriewellen und Massenschlägereien auslösten frage ich mich warum keine Beispiele aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gefunden wurden wie z.B. Frank Sinatra? Zumal der Begriff "Pop" schon immer total schwammig war (wie es heute "Indie" ist), also komplett ungeeignet einen Musikstil zu beschreiben (denn was sonst sollte Pop von Rock unterscheiden). Letztendlich wird als Popmusik nur die Musik bezeichnet, die populär weil erfolgreich ist - oder so klingt wie populäre und erfolgreiche Musik - und sich nicht eindeutig einem einigermaßen abgrenzbaren Musikstil (Rock, Folk, Jazz, Funk, Blues usw.) zuordnen lässt. In dem Sinne haben Chuck Berry, Bill Haley, Little Richard und Ray Charles , aber auch Joan Baez, Woody Guthrie, Can, The Clash, Grateful Dead, John Lee Hooker und Public Enemy nie Pop-Musik gemacht, auch wenn sie (teilweise) populär waren (wobei offenbar in diesem Fall Popularität bei nur Teilen der Bevölkerung ausreichte, um dieses Buch aufgenommen zu werden). Aber es ist nicht der Begriff "Pop" der mich aufregt, es ist der total angloamerikanische Blickwinkel auf das weltweite Musikschaffen im 20. Jahrhundert, der nichts außerhalb dieser Blase als relevant erkennen will, weder das Yellow Magic Orchestra, King Sunny Ade, Fela Kuti oder auch Antonio Carlos Jobim, um nur einige Namen zu nennen, die mir spontan einfallen. Abgesehen davon ist es auch idiotisch bereits vor Ende des Jahrhunderts eine solche "Bilanz" zu erstellen, genauso wie die Unsitte im Fernsehen Jahresrückblicke schon vor Weihnachten zu senden, als ob zwischen Weihnachten und Neujahr die Welt in Tiefschlaf verfällt (nein, am zweiten Weihnachtsfeiertag wird es schon kein Erdbeben im indischen Ozean nebst Tsunami geben).

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