29.1.25

10 Jahre Hannover UNESCO City Of Music

Jetzt also UNESCO City of Music, nachdem Hannover gemerkt hat, dass die bisherigen Imagekampagnen ("wir sind nicht langweilig") teilweise kontraproduktiv waren. Allerdings scheint es so, als dass dieser neue Versuch eines Stadtimages nicht sorgfältig vorbereitet wurde. Hollow Skai hat sich dazu in seinem Skai Report ja ausführlich ausgelassen. Nun ist Kritik dann hilfreich, wenn sie einen eigenen Standpunkt, vom dem aus gemosert wird, erkennen lässt. Daher hier nun der Versuch, ein paar positive Gedanken zu dem Thema zu entwickeln.
Es hat den Anschein, also ob das Thema UNESCO City of Music erst zum 10jährigen Jubiläum in der Stadtverwaltung wieder erinnert wurde, jedenfalls hat es nach meiner Beobachtung in den letzten Jahren dazu keine Aktivitäten gegeben, die unter dem Logo der UNESCO stattfanden. Der nun eröffnete Musikkiosk ist erkennbar ein Beispiel für einen fehlenden Masterplan zu dem Thema. Einfach einem kleinen Eckladen bunt einrichten gibt zwar ein hübsches Fotomotiv, aber mehr als Kartenvorverkauf und ein paar sinnlose Ausstellungsstücke bietet der kleine Laden nicht. Was soll uns eine Gitarre von Klaus Meine, der Sänger und nicht Gitarrist der Scorpions ist, sagen? Wenn es um ikonische Musikinstrumente aus Hannover geht, hätte es schon eine Flying V von Rudolf Schenker sein müssen, aber dann stände da auch dauernd ein grimmig dreinschauender Security-Typ daneben. Ein paar Bücher zum Blättern und eine willkürliche Schallplattenauswahl vom Rockers-Laden zum kaufen - nicht zum anhören - sind doch einfach nur peinlich. Peinlich auch, dass es (noch) keinen (neuen) Bürgerfunk gibt, der sich schwerpunktmäßig um Musik aus Hannover kümmern könnte.
Nun ist das grundsätzlichen Wesen von Musik, dass sie sich der bildlichen Darstellung entzieht. Denn Musik ist Zeit. Musik ist eine Abfolge von Tönen und wenn ein Ton erklingt, ist der vorherige Ton schon Vergangenheit und nicht rückholbar (während ein Bild trotz Zeitablaufs sich nicht verändert). Wie also etwas feiern, dass sich der typischen musealen Präsentation entzieht? Am sinnvollsten wäre es natürlich Musik durch ihre Aufführung selbst zu feiern, was aber meistens Geld kostet: GEMA für alle Komponisten, die noch keine 70 Jahre tot sind, sowie Entlohnung für die ausführenden Künstler*innen, ob live oder vom Tonträger (GVL). Und Musikveranstaltungen finden ja tagtäglich weltweit statt, sind also kein Spezifikum von Hannover, genauso wie die Fête de la Musique. Was ist also das spezifische der Musik aus Hannover, die zum Titel UNESCO City of Music berechtigt?
Vielleicht sollte noch mal daran erinnert werden, weshalb Hannover diesen UNESCO-Titel erhalten hat: "One catalyst for the application was a study from Hamburg from 2009. It showed that in terms of localisation coefficients, Hannover is the number one music destination in Germany where most people are employed in the music industry compared to the number of people employed in the music industry in Germany as a whole." Es geht also um Technologie und Ökonomie, nicht um Kultur. Tatsächlich kann man nicht sagen, dass Musik aus Hannover grundsätzlich eine Eigenständigkeit ausweist, die sie von anderen Musikkulturen, auch aus den deutschen Nachbarstädten, unterscheidet. Wir reden hier nicht von einzelnen Interpreten, sondern von der ganzen Musikszene über einen möglicherweise jahrelangen Zeitraum, etwas in der Dimension von Grunge, Britpop oder dem Sound of Munich. Wenn es um Technologie geht wäre ein Museum zu Musiktechnik und Musikinstrumenten (Rockinger und Duesenberg) eine Idee. Wenn es um Ökonomie geht wäre ein regelmäßiges Branchentreffen ein Idee. Gibt es aber beides nicht in Hannover. Musikhochschulen und Konzertlocations gibt es auch in anderen Städten. Wo ist also der USP von Hannover?
"Musik ist die perfekte Erinnerung, kein Foto schafft das" sangen Mythen in Tüten 1981 auf ihrer LP "Die Neue Kollektion" und vielleicht ist das eine Möglichkeit, zumindest zu behaupten, dass die Liebe zur Musik ein Markenzeichen der hannöverschen Stadtgesellschaft sei, dass hier die Liebe zur Musik im Gegensatz zu anderen Städten tief verwurzelt wäre (bürgerliche Hausmusik anybody?). Zeigen ließe sich das vielleicht mit einem großen Anteil von Laien am Musikgeschehen, sowohl aktiv als auch passiv, z.B. durch finanzielle/organisatorische Unterstützung, aber Erinnerung lässt sich vielleicht auch durch eine (populär)wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Thema dokumentieren (es gibt da die Schriftenreihe der HMTMH "Jahrbuch Musik und Gender" - und was ist eigentlich aus dem Magazin Saitensprung geworden?). Es gab einige Versuche von Musikzeitschriften in Hannover, aber nichts von Dauer. Vielleicht wäre ein neuer Versuch ein geeigneter Ansatzpunkt, aber eher so was wie eine deutschsprachige Version von den wissenschaftlichen Publikationen "Rock Music Studies" und "Punk & Post-Punk" mit Schwerpunkt auf die Geschichte der Musik in Hannover durch die Jahrhunderte und Stile. Gerade Interviews mit älteren Musiker*innen können durchaus aufschlussreich sein, wie sich das Musikgeschäft über die Jahre gewandelt hat (mich persönlich würde ja die ökonomische Seite der in vielen Musikzeitschriften hochgejubelten und schnell vergessenen Kapellen interessieren). Oder wie wäre es mit einer Art Wikipedia zur Musik aus Hannover, eine Dokumentation der lokalen Szene und ihrer Tonträger und anderen Aktivitäten (ein Wiederaufgreifen der Idee von www.german-rockhistory-hannover.de, bzw. etwas ähnliche wie www.rockinberlin.de)?

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