Vor einigen Tagen veröffentlichte die Frankfurt University of Applied Sciences (früher Fachhochschule Frankfurt) ein Statement über Gemeinsamkeiten von Menschen, die an Schizophrenie leiden, und Menschen, die dem Glauben an Verschwörungstheorien anhängen. Beide Gruppen würden die Tendenz aufweisen, voreilige Entscheidungen zu treffen, die meist nur auf wenigen Beweisen basieren. Sie würden eher intuitiv und weniger analytisch denken. Sie würden sich sehr schnell entscheiden, ohne viele Informationen zu sammeln.
Neue Informationen können bisherige Theorien in Frage stellen, ganze Gedankengebäude zum Einsturz bringen. Wie zum Beispiel die Biographie über Janis Joplin vom Myra Friedman, die mir heute in die Hände fiel. Joplin starb bekanntermaßen an einer Überdosis Heroin, eine Überdosis war auch beim Tod von Kurt im Spiel und hat zu Spekulationen über ein Mordkomplott geführt, weil jemand mit einer Überdosis sofort tot umfallen würde und sich daher keine Flinte mehr in den Mund stecken könne. Aber stimmt das?
Friedman schreibt, nachdem sich Joplin den tödlichen Schuss gesetzt habe habe sie das Spritzbesteck weggeräumt, sei zur Hotelrezeption gegangen um Geld für den Zigarettenautomaten zu wechseln und mit den Zigaretten zurück in Hotelzimmer gegangen. "Sie schloß die Tür hinter sich, machte noch ein oder zwei Schritte und fiel dann hin wie eine Puppe, die zu Boden geschleudert oder einfach umgestoßen wurde." (Seite 317)
"Eine Menge mysteriöser Vermutungen umgibt die Tatsache, dass Janis nicht sofort starb. Einige Leute waren der Meinung, dass eine Heroinüberdosis sich nicht in dieser Weise auswirkt. Doch der ärztliche Leichenbeschauer von New York teilte mir mit, dass eine zeitliche Verzögerung zwischen der Injektion und dem Eintritt des Todes nicht ungewöhnlich sei." (Seite 319)
Friedmans Biographie über Joplin erschien 1991, 3 Jahre vor Cobains Tod. Sie ist vollkommen unbeeinflusst von den zukünftigen Ereignissen, ihre Aussage kann als unvoreingenommen angesehen werden. Eine Heroinüberdosis führt also nicht zwangsläufig zum sofortigen Tod. Es war somit Kurt Cobain ohne weiteres möglich, sich eine Überdosis zu setzen, seinen Abschiedsbrief zu unterschreiben und sich dann die Flinte in den Mund zu schieben und abzudrücken. Damit löst sich der zentrale Baustein der Theorie, dass Cobain ermordet wurde, in Luft auf. Es bleibt nur noch Selbstmord übrig. Akte geschlossen.
Warum ich das alles schreibe? Weil mich vor wenigen Wochen mal wieder jemand eine E-Mail schickte, um Fragen zum "ungeklärten Tod" von Kurt Cobain mit mir zu diskutieren. Ungeklärt am Tod von Cobain ist aber nichts mehr, auch wenn zweitklassige Journalist*innen immer mal wieder mit dem Aufwärmen von Gerüchten und suggestiven Fragestellungen versuchen, ein paar Zeilen zu schinden und Sendeminuten zu füllen. Es ist diese Art von "Lügenpresse", die die Menschen daran hindert, Fakten wahrzunehmen und sie gegeneinander aufhetzt. Es gibt Themen, die brandgefährlicher sind als der Selbstmord von Cobain, aber die Methode ist immer die gleiche.
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