7.4.24

Bezirksrat Südtstadt-Bult Februar 2024

Ich nehme mal an, dass die Mitglieder des Bezirksrat Südstadt-Bult die Hannoversche Allgemeine Zeitung lesen. Dort erschien am 3. April ein Artikel mit dem Titel "Was Klimaschutz mit dem Geschlecht zu tun hat". Thema war die Theorie des Eco-Gender-Gap, die gesellschaftliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern wie "Männer fahren mehr Autos, essen häufiger Fleisch und interessieren sich weniger für Umweltschutz" beschreibt. Das ähnelt den Beobachtungen im Kapitel "Kann Schneeräumen sexistisch sein?" in dem Buch "Unsichtbare Frauen. Wie eine von Daten beherrschte Welt die Hälfte der Bevölkerung ignoriert" von Caroline Criado-Perez. Die Autorin dokumentiert, wie eine auf die Bedürfnisse von berufstätigen Männern ausgelegte Verkehrspolitik Frauen, die zumeist mit Haus- und Carearbeit beschäftigt sind, benachteiligt, weil Frauen ganz andere Bewegungsmuster haben. Ihre Wege zu Fuß oder mit dem Fahrrad zum Einkaufen und zwecks Betreuung von Kindern und Verwandten sind andere als die Wege der Männer zu ihren Arbeitsplätzen (ja, es gibt auch öffentliche Verkehrsmittel, aber deren Planung richtet sich auch eher nach den Interessen von Männern). Es wäre somit nicht abwegig, eine Politik, die sich schützend vor das Auto stellt indem sie um des Erhalts von Parkplätzen willens Fahrradstraßen abschaffen möchte, als frauenfeindlich zu bezeichnen.
Ich behaupte nicht, dass dies ein bewusstes Handeln ist (wie ja Männer/weiße Menschen offenbar nie bewusst handeln, weil sie nicht wahrnehmen, dass es auch andere Blickwinkel auf Welt und Gesellschaft geben könnte), aber können wir uns heute noch das Fortführen von Traditionen, geprägt von früheren Politikergenerationen (gendern nicht erforderlich), erlauben? Gustav Mahler soll einmal gesagt haben: "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Soll heißen Tradition ist nur eine Ausrede dafür, über das eigene Handeln nicht nachzudenken, und Fehler/Irrtümer stetig zu wiederholen. Aber Bequemlichkeit ist nicht die Aufgabe von Politiker*innen, sondern gesellschaftliche Entwicklungen zu erkennen und zum Wohle aller Bürger*innen, also von Männern UND Frauen (und Anderen) Maßnahmen zu ergreifen. Wir wissen doch alle, dass Autos ein ökologisches Problem sind, aber wir sind (noch) nicht bereit, auf ihre Bequemlichkeit zu verzichten – zum Nachteil zukünftiger Generationen. Selbst die AfD weiß das (so ignorant können ihre Vertreter*innen in den Parlamenten gar nicht sein, sonst wären sie gar nicht in der Lage, dort ihre Spielchen zu treiben), auch wenn sie es leugnen, um verunsicherte und um ihren Wohlstand fürchtende Wähler*innen einzufangen. Andere Politiker*innen sind oft zu feige, dem kleinen Mann auf der Straße (und der kleinen Frau in der Küche) die Notwendigkeit gesellschaftlicher Anpassungen zu erklären, bzw. vor den möglichen Folgen von Nichthandeln zu warnen ("alternativlos" ist keine Erklärung, es gibt immer eine Alternative, die Frage ist aber stets, ob jemand bereit ist, die Folgen einer Alternative zu akzeptieren), die AfD bestreitet einfach die Notwendigkeit von Anpassungen und behauptet, eine Rückkehr in eine "gute" alte Zeit sei möglich.

Das Thema Fahrradstraßen in Südstadt-Bult ist zwar erst mal durch, aber die Diskussion um das Innenstadtkonzept von OB Belit Onay und hier zuletzt um die Parkplätze am Köbelinger Markt zeigen, dass frauenfeindliche Politik noch immer in den Köpfen von SPD, CDU und FDP steckt. Dem widerspricht nicht, dass es in der Februar-Sitzung des Bezirksrats (und auch im Stadtrat) heftige Kritik an den Sparplänen der Stadt gab, die die Schließung der Kinder- und Jugendbibliothek in der Südstadt vorsehen. Die Argumente, die gegen die Schließung der Kinder- und Jugendbibliothek sprechen, sind offensichtlich (die Alternative ist nicht ebenerdig zugänglich, sondern nur über eine Treppe und einen Fahrstuhl, in den kein Kinderwagen passt, die Fläche ist kleiner und sie liegt auf der anderen Seite einer Hauptverkehrsstraße). Das einzige Argument für die Schließung wären die eingesparten Mietkosten. Nicht dass die Stadt sich nicht für Kinder einsetzt, aber offenbar hat sie Angst, das andere Sparvorschläge (höhere Parkgebühren und ähnliches) mehr Widerstand hervorrufen. Bei Kindern sparen ist bequemer als bei Erwachsenen, obwohl diese mit ihrem Einkommen ihre Freizeitaktivitäten durchaus selbst bezahlen können und keine diesbezüglichen freiwilligen Leistungen der Kommune brauchen (aber vielleicht haben sie andere Interessen als die Projekte, mit denen sich Politiker*innen gerne schmücken und die Kulturschaffende für unentbehrlich halten (deutsche Leitkultur und so).

Was sonst noch so zu berichten? Das Ausscheiden von Bezirksratsmitgliedern und die Verpflichtung ihrer Nachfolger*innen hört nicht auf. Und am 15. Juni gibt es einen Sommerempfang an Stelle der bisherigen Neujahrsempfänge. Die Planungen für das Maschseefest drohen ebenfalls am Horizont.

Nachtrag: Wie ich gerade sehe gibt es in der kommenden April-Sitzung einen grünen Antrag, die Aufhebung der Fahrradstraßen rückgängig zumachen. Ich befürchte, der Antrag wird ohne große Diskussion keine Mehrheit finden. Ich fände es besser, wenn der Antrag in die Fraktionen gezogen wird und SPD, CDU und FDP sich mal zum Thema geschlechtergerechte Verkehrspolitik (siehe oben) kundig machen.

Sitzungsunterlagen | Protokoll

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