Bret Easton Ellis "Weiss", Kiepenheuer & Witsch 2019
"Weiss" eignet sich hervorragend dazu, sich als Rezensent*in lächerlich zu machen, wie ihr gerne anhand der Amazon-Kundenrezensionen überprüfen könnt. Es ist so einfach das Buch als "endlich sagt es mal einer" zu loben, nur weil Ellis u.a. den Untergang der amerikanischen Linken beschreibt, die sich in Dogmatismus verfangen hat und den Realitäten verweigert. Als ob nicht das gleiche für die amerikanische Rechte und insbesondere Trump und seine Anhänger gelten würde. Alle sehen sich als Opfer, keiner ist mehr Täter. Ellis aber will nicht Opfer sein, sich nicht von anderen eine Weltanschauung/Haltung aufzwingen lassen. Wobei das auch eine zu eindimensionale Sicht auf das Buch wäre, denn es geht auch um darum, was Ellis in den letzten Jahren so gemacht hat, als ihm die Inspiration für ein neues Buch fehlte. Es geht um Drehbücher, Podcasts, Beziehungen und seine Jugend. Insoweit ist der Titel des Buchs teilweise (absichtlich?) irreführend.
Ja, das Buch ist ein paar Jahre alt, Trump nicht mehr Präsident, aber die Spaltung der amerikanischen Gesellschaft hat Biden nicht überwinden können. Und inzwischen ist dieser Niedergang der Linken - die Rechten waren schon immer mit einfachen Erklärungen zufrieden, unabhängig davon, wie sehr sie mit einer komplexen Realität kollidieren - auch in Deutschland angekommen. Es wird nicht mehr argumentiert, kritisch (auch sich selbst) hinterfragt, sondern mit falsch verstandenen Parolen Machtgelüsten gefröhnt, um sich über die eigene Machtlosigkeit hinwegzulügen. Öffentliches Nachdenken ist nicht mehr erlaubt, das Ergebnis muss von vorn herein feststehen.
Was macht das mit den Menschen? Ellis, der in Los Angeles aufgewachsen ist, kennt die Welt der Schauspieler*innen, er weiß darum, dass diese öffentlich eine Fassade pflegen, um sich weiterhin vermarkten zu können. Auch andere Menschen pflegen ihre Meinung nur im engsten Kreis zu offenbaren, keiner will Kunden verlieren, nur weil er/sie/es anderer Meinung ist. Auch wenn es sich scheinbar um ein amerikanisches Phänomen handelt, amerikanisch deshalb, weil dort es den Dualismus von Demokraten und Republikaner gibt, beschreibt Ellis ein auch in Europa anzutreffendes Phänomen. Gerade bei deutschen Politiker*innen fällt auf, dass diese plötzlich ganz anders reden, wenn sie aus der aktiven Politik ausscheiden. Wer vorher zu sehr seinen/ihren Standpunkt offenbart (von der Parteilinie abweicht wie Boris Palmer) macht sich angreifbar, was im übrigen auch im Alltagsleben gilt. Wer mit Kritik nicht umgehen kann schweigt lieber, zumal die Kritik inzwischen immer gewalttätiger wird. Ellis dagegen hat kein Problem sich angreifbar zu machen, denn er argumentiert. Leider verfangen Argumente heutzutage immer weniger.
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