Florian Tennstedt "Rockmusik und Gruppenprozesse. Aufstieg und Abstieg der Petards. Mit musikalischen Analysen von Günter Kleinen" (Wilhelm Fink Verlag München 1979)
Zum ersten Mal begegnet bin ich dem Buch in der Stadtbibliothek Hannover, Warum mich das Buch interessiert hatte kann ich im Nachhinein nicht sagen, möglicherweise war es die Vorstellung, etwas vergleichbares zu Simon Friths "Jugendkultur und Rockmusik. Soziologie der englischen Musikszene" (rororo 1981) über deutsche Rockmusik zu finden. Auch wenn ich damals vermutlich nicht alles verstand - der Autor hat bewusst eine verständliche Sprache gewählt und theoretische Ausführungen sind eher zurückhaltend (S. 178) - sind einige Inhalte doch bei mir hängen geblieben, insbesondere das Bewusstsein für die Kommunikation innerhalb von Musikkapellen und das Reflektieren des eignen Rollenverständnisses. (Bin ich zu dominant, lasse ich anderen genug kreativen Freiraum, was sind die Ziele der Band und was die Lebensziele der Mitglieder, passt das zusammen oder drohen hier Konflikte, sollen mögliche Bruchstellen ignoriert oder angesprochen werden?) Genauso interessant ist die Geschichte dieser eigentlich ziemlich vergessenen Kapelle (es gibt aber eine umfassende CD-Box bei Bear Family), deren große Zeit die zweite Hälfte der 1960er Jahre war (Jürgen Gleue hat mir mal eine Kassette ausgeliehen mit eine Live-Mitschnitt von ich glaube 1967 mit vielen Coverversionen - die Band hat später auch unter anderem Namen Titel von Creedence Clearwater Revival eingespielt), wo die Band begann eigene Songs zu schreiben. Relativ weit verbreitet war ihre erste LP "A Deeper Blue", die auf dem Billiglabel Europa erschien, danach veröffentlichten sie immerhin beim renommierten Liberty-Label. Trotzdem stellte sich der große Erfolg nicht ein, die Band verpasste den Anschluss an den krautigen Zeitgeist. Das Buch gibt zudem einen interessanten Einblick wie das Musikgeschäft damals funktionierte, insbesondere das Wirken der Fanclubs. Nachdem ich das Buch gelesen hatte dauerte es mehrere Jahre bis ich dann tatsächlich Schallplatten der Petards fand, als erstes die "Pretty Liza"/"Rainbows and Butterflys"-Single, für mich ein liebenswerter naiver Versuch in Psychedelia. Soweit ich das überblicke hat der Autor sich danach nie wieder mit Rock- und Popmusik beschäftigt, dafür aber zahlreich zu historischen sozialwissenschaftlichen Themen publiziert. Auch sonst scheint das Buch ein Unikat zu sein, zumindest ist mir nicht bekannt, dass es über ein andere deutsche Kapelle ein ähnliches Buch mit einem soziologischen Blick gibt.
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