Da ist eine neue bemerkenswerte Rockband aus Hannover. Ihre Arrangements sind sicherlich nicht die originellsten der letzten Zeit, aber ihre ungeschminkte Art zu musizieren, ihre Fähigkeit, selbst mit beschränkten technischen Fertigkeiten ein ganzes Album ideenreich zu füllen, ist einfach aufregend.
Die fünf Musiker, die zu dieser Hannoveraner Gruppe gehören, nennen sich schlicht Jane. Und eigentlich sind sie nur noch deshalb zusammen, weil sie den Mut zu einem ungewöhnlichen Schritt fanden: Als die fünf Musiker an dem Punkt angelangt waren, wo sie sich musikalisch nichts mehr zu sagen hatten, wechselten sie die Instrumente. Alle Jane-Musiker spielen nun Instrumente, die ihnen völlig neu sind. Dies gibt ihnen die Möglichkeit, neue Ideen und Impulse aufzugreifen und zu verarbeiten.
Leadgitarrist Klaus Hess meint dazu: "Dies war für uns die einzige Möglichkeit, eine Einheit zu bleiben, und ich glaube, es hat sich gelohnt, auch wenn jeder, der uns kannte und von unserer neuen Idee hörte, zunächst einmal sehr skeptisch gewesen ist".
Bei ihrem ersten Konzert mit neuer Instrumentalbesetzung gerieten die Hörer nicht gerade in einen Begeisterungstaumel, aber die Musik war doch besser als die Musiker selbst angenommen hatten. Auch einige befreundete Musiker, die zuhörten (Gomorrha), waren recht angetan.
Bei einem der nächsten Konzerte hörte Brain-Label-Manager Günther Körber die fünf und engagierte sie für sein neues Label. Bis zur nächsten wichtigen Station, nämlich Jane's erster LP, war es dann nicht mehr allzu weit. In den Hamburger Star-Musik-Studios wurden die Aufnahmen gemacht. Sechs Titel sind auf dieser Platte festgehalten worden. Es sind übrigens alles Titel, die Jane auch bei Live-Auftritten spielt.
Im Studio gabs zunächst Schwierigkeiten über Schwierigkeiten. Die fünf Hannoveraner hatten noch nie zuvor ein Studio von innen gesehen. Der neue Eindruck war zu gewaltig. Zur allgemeinen Nervosität kam noch der Zeitdruck, denn innerhalb von vier Tagen mußten die Aufnahmen "im Kasten sein". Die Frustrationen waren schließlich so groß, daß man abbrechen und zurück nach Hannover fahren wollte. Doch Cony Plank, dem die Jane die technische Perfektion ihrer ersten Plattenaufnahme verdanken, fand einen Weg, die Musiker zu beruhigen und die Aufnahmen doch noch zu beenden.
"Daytime" eröffnet das Album mit weichem Baß, sanfter Orgel und klarem Gitarrensound. Tempowechsel, einige harte Riffs und dann ein weicher Übergang, wonach wieder sanfte Orgeltöne dominieren. Darüber der einmalige Gesang von Bernd Pulst. Seine Stimme brilliert durch ihren kraftvollen Vortrag und einer Art verinnerlichter Aussage, in der Trauer und Resignation mitschwingt. Er ist sicherlich derzeit der beste deutsche Rocksänger, wer ihn live hört, wird das bestätigen können. Sein Gesang leitet auch zur nächsten Phase über, einem langen Gitarrensolo von Klaus Hess, der früher Baß spielte, und der es recht gut versteht, ein Solo interessant zu gestalten. Er ist im Melodiegeschehen die treibende Kraft, allerdings wird er dabei auch von der Orgel vorzüglich unterstützt. In "Wind", dem nächsten Stück, wird mit ähnlichen Mitteln wie in "Daytime" Spannung geschaffen, aber viel besser noch läufts im nachfolgenden "Try To Find", wo es einen Dialog zwischen Gitarre und Stimme gibt.
Die B-Seite beginnt mit "Spain", dem bis hierhin vielleicht besten Stück, weil in "Spain" alle vorher detaillierten Ideen komprimiert dargeboten werden. Die Soli sind recht lang und recht gut, auch wenn zwei kleine Patzer die Sache etwas schmählern. Überragend in "Spain" ist Bernd Pulsts Gesangsvortrag, der eine gewaltige Kraft verbreitet. Den Schlußpart allerdings übernimmt Bassist Charly Maucher mit krähender Stimme. Spätestens in diesem Stück fällt auf, wie sicher alle Übergänge von langsameren zu schnelleren Phasen gemeistert werden. Alle Übergänge sind ideenreich und werden mit der notwendigen spielerischen Leichtigkeit und Eleganz vorgetragen. Das Melodiegewebe kann dabei stets auf ein fest gefügtes und kompaktes Rhythmusfundament bauen. Weder Charly Maucher noch Peter Panka (Schlagzeug) sind an Artistik interessiert wenn sie den rhythmisch-harmonischen Rückhalt bilden. Allerdings ließen ihre geringen technischen Fähigkeiten auch kaum etwas anderes zu.
Schönstes Stück ist für mich persönlich dann das an "Spain" anschließende "Hangman". In keinem anderen Song ist so viel knisternde Spannung zu spüren. Auch ist der Sound hier eigenständiger als auf allen anderen Stücken des Albums, wo Jane meist auf altem Material aufbaut, nämlich Klangkombinationen, wie sie in England noch vor einigen Jahren von Gruppen wie Spooky Tooth geschaffen wurden.
Neben diesem meist an frühere englische Vorbilder ausgerichteten Sound ist ein weiteres Handicap von Jane der Gesangsvortrag, der noch nicht völlig in das Gesamtgeschehen integriert zu sein scheint. Es fehlt vor allem an der Erfahrung, wie Bernd Pulsts großartige Stimme am wirkungsvollsten einzusetzen ist, Bernd ist übrigens als letzter zur Gruppe gestoßen. Meist wird bei seinem Gesang das Tempo des Stücks noch zu sehr gebremst, obwohl er auch in schnelleren Tempi Erstaunliches mit seiner Stimme machen kann. Erschwerend kommt noch hinzu, daß Bernd Pulst fast nie zu den Proben der Band erscheint, meist trifft er sich mit den anderen erst kurz vor den Konzerten. Erstaunlich dabei ist vielleicht die Tatsache, daß fast alle Arrangements von ihm und Klaus Hess stammen.
Wie dem auch sei, jeder der seine Freude an unkompliziertem, einfachem und direktem Songmaterial hat, dem wird Janes erste LP TOGETHER gefallen.
Holger Elmgren (Sounds Mai 1972)
1 Kommentar:
Klasse, wir müssen Hess interviewen!
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