29.5.07

Stille Hoffnung

"Hi, habe gerade völlig überraschend einen Titel der Stille Hoffnung LP bei auf Deinem Blog gefunden.
Kannst Du mir die Möglichkeit geben das ganze Album zu bekommen?
Brecht war damals in meiner Parallelklasse und ich war auf vielen Auftritten und hatte ebenfalls mal die LP. Betonung liegt auf "hatte".
Würde mir unheimlich gerne wieder "Gefangen im EKZ" anhören. Vom Gymnasium Köln Weiden war es nur 1 Minute Fußweg bis zum EKZ, so dass sie ganze Schule ihre Pausen da verbrachte.
Danke im voraus.
Binger"


"STILLE HOFFNUNG dagegen wollten zeigen, daß das Leben in den Achtzigern nicht nur Schokoladenseiten hat (eigentlich gar keine). In die Modefarben schwarz und schwarz gekleidet, trugen auch ihre Gesichter dem Ernst der Jage Rechnung. Der erste Gedanke: Joy Division nach rheinischer Art!
Titel wie "Messias", "Tragödie" oder "Ableben" wiesen dann auch in diese Richtung. Und was der Sänger anfangs bot - was das nun linkisch und unsicher oder sollte es distanziert, abgeklärt wirken? Dann doch beim zweiten, dritten Stück merkt man, daß man es hier mit etwas besonderem zu tun hat. Denn der Gruppe gelingt es aus den von ihnen selbst nahegelegten Klischees auszubrechen. Über die bloße Untermalung der vom. Sänger ausdrucksstark gebotenen Bilder von Resignation. Angst und ohnmächtiger Wüt geht die Musik nämlich hinaus. Jedes Stück für sich ist so angelegt, daß verschiedene Brüche und Wechsel des Tempos für Spannung sorgen. Von Melodien, die fast schon was von den Buzzcocks haben, bis zu Balladen, die unverkennbar nach J.D. schmecken, reichen ihre Kompositionen. Die Rhythmusgruppe gibt sich dabei nicht zufrieden, nur das Rückgrat zu bilden, sondern nutzt die Räume selber Akzente zu setzen. Der Gitarrist, unverkennbar von den Neo-Romantikern a la Scars und U2 beeinflußt, ohne in deren Klischees zu verfallen, erzeugt die (Kontrast)-Farben, Und nachdem die anfängliche Nervosität mehr Selbstsicherheit gewichen ist, gelingt es der Gruppe, eine Atmosphäre der Erwartung und Anspannung zu schaffen, wie sie auch bei "wichtigen" Gruppen aus U.K. in den Rheinterrassen selten geworden ist."

Auszug aus einem Konzertbericht von Gerald Hündgen in Spex 6/1981 über den Auftritt der Fehlfarben am 4.6.1981 in den Rheinterrassen in Bonn mit den Vorgruppen Fasaga(!), Stille Hoffnung, Cotzbrocken(!!) und Oberste Heeresleitung(!!!)

"(Eine) stille Hoffnung
Beim Konzert der Fehlfarben im Juni in Bonn war ich sicher nicht der einzige, der von einer der Vorgruppen - "Stille Hoffnung" eben - weit mehr beeindruckt war als von der eigentlichen Attraktion des Abends. (Siehe SPEX 6/81).
Stille Hoffnung das sind Elmar Botschen - Gitarre, Hintergrundgesang; Brecht Brozio - Gesang; Jean-Louis Libioulle - Schlagzeug; Jean-Yves Pirlot - Bass. Alle 18 oder 19 Jahre alt haben sie Ende 1979 angefangen "nur so zum Spaß". Im vergangenen Jahr folgten dann einige Auftritte - meist in Schulen - unter dem Namen "Zlof". Weil dieser Name (nach dem Oetker-Entführer) immer wieder zu Mißverständnissen führte, änderte man ihn in "Stille Hoffnung", "weil man das in 1000 Richtungen verstehen kann". Besagter Auftritt in Bonn war dann der erste unter neuem Etikett und eine Woche später wäre der zweite im Vorprogramm zu Echo & the Bunnymen gefolgt, hätte eine plötzliche Krankheit Gitarrist Elmar nicht außer Gefecht gesetzt.
Aber mit Widrigkeiten aller Art fertig zu werden, ist für die Gruppe nichts besonderes; Schlagzeuger Jean-Louis und Bassist Jean-Yves sind Belgier, deren Väter als Soldaten in Köln stationiert sind, und gehen bzw. gingen in Belgien zur Schule. Proben waren deshalb grundsätzlich nur an Wochenenden möglich - und auch nur dann, wenn sich mal ein Probenraum fand. "Manchmal üben wir deshalb nur alle 4 Wochen."
Die musikalischen Ideen produziert Elmar, wobei die Anregungen der anderen einfließen (sollen). Wegen der allzu geringen Zeit, die ihnen für gemeinsames Proben zur Verfügung steht, kommen die Ideen der restlichen Gruppenmitglieder meist zu kurz.
Texter der Gruppe ist überwiegend Brecht (sein wahrhaftiger Vorname):. "Ich hab schon immer viel geschrieben. Meistens sind das einfache Beobachtungen. Z. B. ‚Probleme, die die Welt bewegen (... aber mich bewegen sie nicht)' ist entstanden, nachdem ich ein Gespräch von zwei Mädchen mitgekriegt habe, die sich über total belanglose Sachen unterhielten, als wär's das Wichtigste von der Welt. Oder die Idee zu ‚Keine Integration' ist mir im letzten Wahlkampf gekommen, als die NPD gegen die Ausländer hetzte."
In der Ablehnung von Neo-Nazis und verwandten Geistern ist sich die Gruppe einig.
Elmar: "Die ganzen neuen nationalen Tendenzen sind für mich ein erster Ansatz mich zu wehren."
Jean-Yves; "Da bin ich total dagegen gegen rechte Vögel ... was die machen, das kann man nicht einfach an sich vorbeirauschen lassen. Jean-Louis und ich waren zuerst Punks, dann haben wir aber gesehen, daß das so nichts bringt ..."
Daß man mit Musik allein wenig ausrichtet, daß man sich vielleicht politischer engagieren müßte, haben sie sich überlegt. Aber noch meinen sie, sich erst ausreichend informieren zu müssen. Und die Organisation, Partei etc., bei der sie mitmachen wollten, sehen sie auch nicht. So versuchen sie wenigstens mit der Musik einen Standpunkt zu beziehen.
Ihre "Unsicherheit"/,,Uniformiertheit" bewahrt sie jedenfalls davor, als Musik-gewordene Plakatwände aufzutreten. Sie sind noch offen, und Offenheit wünschen sie sich auch bei ihrem Publikum.
Jean-Yves: "Ich glaube, bald sind mir die sogenannten "Körnerfresser' lieber, die hören wenigstens zu, als die ‚richtigen' Punks ... die fordern zwar immer Toleranz, aber wohl nur von den anderen für sich selbst."
Die musikalischen Vorlieben der 4 sind ebenso vielfältig wie unterschiedlich: Reggae, Gang of Four, Jam, D.A.F. - Elmar gesteht sogar die Liebe zum Swing.
Wie ließe sich denn ihr ,,Stil" auf eine Formel bringen? Brecht: "Kein besonderer Stil. Neue deutsche Musik ... sowas. Vielleicht ein bißchen wie Fehlfarben."
In der Bewunderung der Düsseldorfer sind sich die 4 einig. Die Offenheit mit der diese verschiedenen Einflüsse zu einem deutlich eigenen Stil verarbeiten, imponiert ihnen. Jean-Yves: "Ich finde das eine Sauerei, wie die jetzt kaputtgemacht werden. Ob das in Bonn war oder in Düsseldorf (17. Juni) ... die Brutalität, mit der manche versuchen, sie erst gar nicht mitspielen zu lassen, ihnen gar keine Chance zu geben, das kann ich nicht verstehen.
Mächtig gefreut haben sie sich natürlich, als ausgerechnet die Fehlfarben ihnen nach ihrem Bonner Auftritt Anerkennung zollten, sogar von möglichen späteren gemeinsamen Auftritten war die Rede!
Was sonstige Zukunftspläne angeht, ist die Gruppe sehr vorsichtig. Natürlich hoffen sie mal intensiver Musik zu betreiben, heute wären sie schon froh eine Platte aufnehmen und vertreiben zu können. Oder wenigstens anständige Proberäume und mehr Auftrittsmöglichkeiten zu bekommen. Denn so erstaunt Brecht war, als er eine Cassette von vor einem Jahr hörte, über die Fortschritte, die die Gruppe bis jetzt gemacht hat, vom "eindeutigen-Stille-Hoffnung-Sound" fühlen sie sich noch um einiges entfernt."

Gerald Hündgen in Spex 7/81


STILLE HOFFNUNG
Falsch + Umsonst
(Paradoxx/Eigelstein)

Brecht Brozio war der erste, der mit einem ans Ohr gepressten Cassettenrecorder über den Schulhof lief und versuchte, die neueste Ausgabe von "John Peel's Music" zu verarbeiten, sagt Andreas. "Stille Hoffnung" hätten es verdient gehabt, ihr Debut-Album zu einem günstigeren Zeitpunkt zu veröffentlichen, sage ich. Um es lakonisch auszudrücken: "Falsch + Umsonst" ist überholt, in vieler Hinsicht. Sie fügt sich genau in die Lücke ein, die die Fehlfarben - was ich haben will, das krieg ich nicht - und der KFC - wie lange noch? ich warte immer noch - hinterlassen haben, die aber nicht hätte gefüllt werden müssen, schon gar nicht im Dezember '82.
Stille Hoffnung bieten auf Falsch + Umsonst Material an, das sie bereits vor 2 Jahren - oder waren es 4 Jahre? (neuzeitliches Phänomen; zu erkennen bei Protagonisten des deutschen Selbstverständnisses, die ihre Aktivitäten um mindestens 2 Jahre vordatieren) - noch unter dem Namen "Zloff", bei Auftritten in ihrem Klassenraum, unter pädagogischer Aufsicht, von sich gegeben haben. Aber auch noch heute, so scheints, kümmern sie "die Probleme die die Welt bewegen" noch lange nicht. Sie beschäftigen sich mit Berufsverbot, mit Konsumterror und mit der Bundeswehr (wirklich immer noch?) (wieso denn nicht? Die Red) - alles das, was ein Schülerherz bewegen sollte - gipfelnd in "Leben - Scheiß Leben". Aber bitte, kein falscher Verdacht. Hier werden keine hohlen Phrasen gedroschen. EKZ, zum Beispiel, ist ein richtiger Hit; oder war es zumindest. These were the days, würde John Peel jetzt seufzen. Ja, das waren noch Zeiten, als die stille Hoffnung noch auf Leuten wie Brecht B. ruhte; als sie mit ungehobeltem, bis dato unbekanntem jugendlichen Enthusiasmus in neue Bereiche aufbrachen. "Möglicherweise muß Rockmusik von jungen Musikern gemacht werden. Ich glaube man benötigt dazu Enthusiasmus, Energie und Tempo ... und zwar natürliches Tempo" (Brian Eno).
Wenn man "Stille Hoffnung" schon Anachronismus unterschiebt, so zeigt er sich genau da nicht mehr, wo "Falsch + Umsonst" ihn hätte gebrauchen können: nämlich in Spontaneität, Witz und Energie."

Peter H. Boettcher in Spex 12/82

Stille Hoffnung "Falsch & Umsonst"
(LP, 1982, Paradoxx records PA 5501)
Nationalwahn (M.: Botschen / T.: Botschen) 3:02 / Ableben (M.: Botschen / T.: Brozio) 2:46 / Der Messias (M.: Botschen / T.: Brozio) 2:22 / So, nicht anders (M.: Botschen / T.: Brozio) 3:20 / (Das sind) Probleme (die die Welt bewegen) (M.: Botschen / T.: Brozio) 3:14 / Gefangen im EKZ (M.: Botschen / T.: Brozio) 2:07 // Die Kaufkraft unseres Volkes (M.: Botschen / T.: Brozio) 3:23 / Keine Integration (M.: Botschen / T.: Brozio) 3:10 / Mein Herz (M.: Botschen / T.: Brozio) 2:48 / Auf! In die Zukunft (M.: Botschen / T.: Brozio) 2:22 / Falsch & Umsonst (M.: Botschen / T.: Brozio) 3:41
Produktion: Stephan Werner und Stille Hoffnung / Aufnahmen: Etienne Conod und Bubu am 19./20. März 1982 im Sunrise Studio Kirchberg/Schweiz / Abmischung: Etienne Conod und Stille Hoffnung am 29. März ebenda / Cover: "Der Kopf" Köln/Berlin - unter Verwendung des Bildes "Durchs Leben schreiten" (1981) von Robert Cavegn/Berlin / Besonderen Dank: Stephan Werner/Eigenstein/Lydia Botschen
(download)

Translation: Translation: This is the only record by Stille Hoffnung (Silent Hope) from Köln (Cologne/West Germany) released in 1982. They were pupils (2 from Germany, 2 from Belgium) from the local Gymnasium (grammer school) and had some shows together with Die Fehlfarben and local punk bands like Fasaga, Cotzbrocken and OHL - why do all these shitty punk-loosers have articles at wikipedia except for Stille Hoffnung?! Stille Hoffnung nearly had the chance to support Echo And The Bunnymen but had to cancel the show due to illness of the guitar player. Well, this doesn't say much about their musical style but The slav will download it anyway. And by the way, don't tell me about broken links to some ndW-downloads, either I will use e.s.p. or will be too lazy to care about.

7 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

danke !!!

Zero G Sound hat gesagt…

Großartig, danke! Habe mir erlaubt, auf dem zero blog auf dieses posting inzuweisen.

Anonym hat gesagt…

Jetzt wieder zu haben:

http://rapidshare.com/files/109281604/Falsch___Umsonst.rar.html

Viel Spaß!

Anonym hat gesagt…

vielen Dank fürs erneute posten!
war mir bisher noch nicht bekannt, diese tolle Gruppe!

Anonym hat gesagt…

sehr schöner Blog, es macht immer gute Laune hier bei dir zu lesen!

wäre es möglich die Lp von Stille Hoffnung erneut zu posten?

Gruß,
Ingo

Anonym hat gesagt…

vielen, vielen Dank für diese geniale Scheibe!
Gruß,
Ingo

Anonym hat gesagt…

Heyho,
ich bin der Gitarrist von SH und wollte folgenden Link (Demoversion von Auf! In die Zukunft | Stille Hoffnung) popularisieren:

https://www.youtube.com/watch?v=q5QrQ8cmm9Y

Greeez
Elmar