von Dr. Peter Wyer
Jeder kennt die Situation, wo er während der Hauptsendezeit vergeblich am Radioknopf drehte, um auch nur für kurze Zeit ein paar Takte guter Musik zu hören. Aus den meisten Sendern plärrt Rockmusik, die geistlose Anbetung des Tierischen, der offene Ausdruck faschistischer Ideologie. In einigen Sendern, meist den "dritten Programmen", ist diese Kakaphonie vermischt mit "Werken", die angeblich Musikstücke sein sollen, und der Durchschnittsbürger ist zu recht überrascht: sie klingen, als wenn das Orchester gerade die Instrumente stimmt, oder schlimmer, als wenn die Spieler verrückt geworden wären! Bei weiterem Suchen findet man im besten Fall ein paar Operettenmelodien oder Schnulzen mit Peter Alexander. Spätestens dann müßte auch der zurückhaltendste Mensch zugeben: "Für diesen Zustand muß jemand verantwortlich sein!"
Aber abgesehen von solchen frustrierenden Erlebnissen ist im allgemeinen nicht bekannt, daß im 20. Jahrhundert ein ausgedehnter Feldzug gegen die Musik geführt wurde. Das vorsätzliche Ziel dieser Kampagne galt dem Reichtum der bestehenden Musikformen, dem Begriff der Kreativität als reproduzierbarer menschlicher Erkenntnis, um Musik in ein Instrument psychologischer Kriegsführung zu verwandeln.
Die Frankfurter Schule
Insbesondere seit dem Ersten Weltkrieg und der russischen Revolution versuchten die angloamerikanischen Monetaristen durch Geheimdienstoperationen, und hierbei hauptsächlich durch ihre fabianisch-sozialistische Ersatz-Linie, synthetische "marxistische" Ideologien als wesentlichstes ideologisches Werkzeug für die Kontrolle der gesamten Bevölkerung zu entwickeln und zu propagieren. Die Frankfurter Schule, ursprünglich vom britischen Geheimdienst ins Leben gerufen, verfeinerte diese Art von ideologischer Kriegsführung mit einer relativ weit entwickelten anti-marxistischen Ideologie, die dann als "bedeutende Neuinterpretation" der Marx'schen Schriften glaubhaft unters Volk gebracht werden konnte. Dies erleichterte nicht nur die Eindämmung des tatsächlichen marxistischen Einflusses im Westen, sondern diente darüber hinaus als geeigneter Deckmantel für die Aushöhlung und Unterwanderung kommunistischer Institutionen im Osten wie im Westen.
Im Rahmen dieses allgemeinen Vorhabens richtete sich die Verschwörung der Frankfurter Schule insbesondere auch auf die Unterwanderung der gesamten Musikszene - wovon sämtliche Formen der Musik, populäre und klassische sowie alle Institutionen und Betätigungsfelder musikalischen Schaffens betroffen waren.
Das Frankfurter Institut für Sozialforschung wurde 1922 als Ableger der Frankfurter Universität gegründet. Als führende Vertreter des britischen Geheimdienstes agierten dabei Max Horkheimer und eine Handvoll andere Leute, die anfänglich in engem Kontakt mit Karl Korsch standen, dem Meister der bewußten politischen und philosophischen Desorientierung im 20. Jahrhundert.
Die Frankfurter Schule machte denn auch nicht viel Aufhebens um ihre Ziele: sie wollte eine Theorie des Marxismus schaffen, die anscheinend in Einklang mit den Schriften von Marx, der Hegelschen Dialektik und dem Kantschen Praxisbegriff stand, aber ebenso die nullwachstümlerische, technikfeindlich-anarchosyndikalistische Ideologie in sich aufnahm. Diese "Große Synthese" erforderte offensichtlich schwerwiegende Eingriffe in das Marx'sche Werk und in die deutsche Kritische Philosophie. Unter anfänglicher Leitung von Korsch übernahmen diese Aufgabe von Anfang an die zwei Hauptpersonen der Frankfurter Schule, Max Horkheimer und Theodor Adorno, die Anfang der 30er Jahre die geschäftsführenden Direktoren des Instituts geworden waren. Der notwendige Eingriff in Kant und Hegel wurde ausführlich von Adorno in seinem Buch Negative Dialektik vorgenommen. Dieses Buch war ein solches Machwerk, daß Adorno gezwungen war, den Kern der Fälschung über hunderte von Seiten grausamen Kauderwelsch zu verteilen - was auch letztlich Sinn und Zweck des kryptischen Stils Adornos ist.
Adornos "Beitrag" besteht nun in folgendem: Indem er die Idee des Fortschritts (den Begriff der Entwicklung des Geistes) um Gedankengebäude Hegels und Kants auslöscht, werden bestimmte formale Beziehungen zwischen ihnen notwendigerweise falsch. Auf diese Weise wird Hegels Identitätsgesetz (Wissenschaft der Logik), d.h. der. Begriff der Kohärenz der Subjektivität des Geistes mit der objektiven Bestimmung - der Außenwelt - "zurückgewiesen", wodurch Hegels Begriff der Negativität schlicht zur Negation reduziert wird. Wie bezweckt, öffnet dies die Tür dazu, die reine Irrationalität als notwendige Komponente der Erkenntnis zu glorifizieren; nachdem so die Grundlage der intellektuellen Kohärenz zerstört ist, kann die "objektive" Realität nur noch in rein empiristischer Weise erkannt werden. (Es ist bemerkenswert, daß Giovanni Gentile, der bekannteste Hegelianer seiner Zeit, der schließlich zum Hausphilosophen Mussolinis wurde, genau dieselbe "Neufassung" der deutschen Kritischen Philosophie vorgenommen hatte.)
Diese "Korrekturen" der deutschen Kritischen Philosophie, verbrämt durch den marxistischen Anstrich der Frankfurter Schule, waren der Ausgangspunkt für breitangelegte Übergriffe in sorgfältig ausgesuchte spezialisierte Felder. Die "Kritische Theorie" (der Begriff der Frankfurter Schule für ihre Fälschung der Philosophiegeschichte) wurde systematisch auf die Psychoanalyse, die Soziologie und auf das Studium von "Macht und Herrschaft" angewandt (ein Bereich der politischen Wissenschaft, der von der Frankfurter Schule eigens geschaffen wurde, um den sogenannten "Links- und Rechtstotalitarismus" in einen Topf zu werfen, d.h. bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung des ,,marxistischen" Markenzeichens Hitler mit Stalin gleichzusetzen).
Dieselbe Methode wurde auch auf die Musik und die Massenunterhaltung angewandt. Allen Anstrengungen der Frankfurter Schule lag die suggestive Annahme zugrunde, daß das Individuum letztlich nicht in der Lage sein wird, mit menschlicher Kreativität den Verlauf der Geschichte zu bestimmen, die Gesellschaft zu ändern und die Natur zu beherrschen, ohne die Natur zu zerstören.
Die Wirksamkeit des Projekts wird bei der erfolgreichen Anwendung von Konzepten deutlich, die zuerst von der Frankfurter Schule entwickelt worden waren - zum Beispiel die Perversion der "Radikalen Politik" durch den langjährigen Mitarbeiter der Frankfurter Schule, Herbert Marcuse, oder die Gehirnwäschetechniken der "existentialistischen Psychoanalyse" durch den der Frankfurter Schule nahestehenden Spezialisten des Londoner Tavistock-Instituts R.D. Laing, sowie die "linguistischen" Gehirnwäschetechniken, wie sie von Noam Chomsky entwickelt wurden.
Musik im Zeitalter des Jazz
Das große Schwergewicht der Frankfurter Schule auf Musik und Kultur verbindet sich mit dem anderen Hauptbetätigungsfeld der Frankfurter Schule: Der Entwicklung von Massengehirnwäschetechniken.
Die Frankfurter Schule machte sich bei ihrer "Erneuerung" der Musik einen entscheidenden Mangel zunutze, die relative Öde, in der sich die Musik und die Künste im allgemeinen in den 20er und 30er Jahren befanden. Besonders in der Musik ist diese Tatsache mehr auf die fortwirkende Zerstörung der klassischen Tradition zurückzuführen als auf die Resignation und den Zynismus Anfang des 20. Jahrhunderts. Vor allem war der Faden zu den pädagogischen Traditionen gerissen, die am strengsten von Bach und dann in erweiterter Form von Beethoven entwickelt worden waren. Nur einige wenige Interpreten, wie zum Beispiel Arthur Schnabel, führten eine Spur von der Strenge musikalischer Kultur im 19. Jahrhundert weiter, aber auch hier war der Bezugspunkt eher die Romantik des 19. Jahrhunderts, wo nur schattenhaft das Wesen der klassischen Weltanschauung, wie sie in Beethoven verkörpert war, erfaßt wurde.
Das Ergebnis davon war, daß ein ernsthafter, moralisch integrer Komponist nicht mehr wußte, wohin er sich wenden sollte, um sein Fach zu erlernen. Unter diesen Bedingungen griff die Mittelmäßigkeit um sich, der Jazz eroberte die Konzertbühne und Stars wie George Gershwin erschienen im Rampenlicht.
Den Fabianern von der Frankfurter Schule standen somit alle Türen offen. Die wesentliche Taktik, die sie dabei einschlugen, bestand in der Zelebrierung der "rebellischen" atonalen Musik gegenüber der etablierten (degenerierten) "modernen Musik".
Der führende Komponist jener Zeit, derjenige, dem die jungen Komponisten in Scharen nachliefen und nacheiferten, war Igor Strawinski. Nachdem Strawinski vor dem Ersten Weltkrieg im Gefolge von Diaghilews "Ballets Russe" Paris erobert hatte, schaffte er seinen internationalen Durchbruch mit dem "Meisterwerk" Le sacré du printemps, in welchem die Ekstasen der russischen Urzeit gefeiert werden, und einer Reihe ähnlicher Werke. Er gründete darüberhinaus noch eine andere "Bewegung", die neoklassische Schule, deren Musik sich im wesentlichen von der Konzeption des Sacré du printemps nicht unterschied, sich aber äußerlich im Gewande der Musik des 19. Jahrhunderts und noch früher präsentierte.
In solch einer Umgebung blieben die wenigen Stimmen, die sich gegen die Banalität und für die Verteidigung der klassischen Tradition in der Kunst aussprachen - wie z.B. Heinrich Schenker, ein Musiktheoretiker aus den Kreisen um Johannes Brahms - völlig isoliert.
Und dann war da noch Schönberg.
Arnold Schönberg, Autodidakt und Reisender in Sachen Musik, hat sich musikalisch nie über das Niveau eines tüchtigen Filmmusikkomponisten aus Hollywood entwickelt, denen er später in großer Anzahl Musik beibringen sollte. Ähnlich wie der Musical-Schreiber Irving Berlin war er des Klavierspielens niemals mächtig. Nachdem er zwei, drei Stücke komponiert hatte, schwerfällige, tränenselige Imitationen von Richard Strauß und Wagner, entschied er sich in aller Eile für das Esoterische als trüben Ersatz für seinen Mangel an Strenge. Er liierte sich mit dem Expressionisten-Zirkel in Wien, das um die Jahrhundertwende eines der Zentren der abstrakten expressionistischen Malerei in Europa war, und versuchte sich selbst auch in "dämonischer" Kleckserei.
Schönberg war der Begründer der sogenannten "atonalen" Richtung in der modernen Musik, die er in den frühen 20er Jahren mit dem Begriff seiner .,Zwölfton"- oder "seriellen" Kompositionstechnik formalisierte. Der kleine Kreis von Studenten, die er um sich herum versammelte, einschließlich Alban Berg und Anton Webern, wurde die Hauptapostel der Zwölfton-Musik.
Es ist wichtig zu wissen, daß Schönberg und seine Anhänger während der 20er und 30er Jahre außerhalb ihres Kreises fast völlig unbekannt waren und ihre Musik nur sehr selten aufgeführt wurde - und auch dann erschien nur eine kleine, ausgesuchte Zuhörerschaft. Ihr Einfluß auf die Musikszene war verschwindend gering.
Bis dann Theodor Wiesengrund Adorno von der Frankfurter Schule auftrat.
Adorno und die Musik
Wie die anderen führenden Mitglieder des Teams der Frankfurter Schule stammte Adorno aus einer wohlbegüterten jüdischen Familie mit Beziehungen zu akademischen und intellektuellen Kreisen. Schon frühzeitig führte der Soziologe Siegfried Kracauer ihn in die fabianische Weltanschauung ein, derselbe Kracauer, der später in den USA psychologische Profilstudien über Spielfilme verfaßte. Adorno erwarb Anfang der 20er Jahre seinen Doktorgrad in Philosophie an der Frankfurter Universität. In seiner Jugend hatte er einige Jahre Musikausbildung genossen, die jedoch immer auf amateurhaftem Niveau verblieb, und trieb sich nach seinem Studium in den avantgardistischen Musikerkreisen in Wien herum. Dort machte er sehr schnell Bekanntschaft mit Schönberg und dessen Anbetern und ließ sich in ihren "inneren Kreis" aufnehmen. Bei Schönberg selbst studierte er kurzzeitig Komposition, später auch bei dessen Anhängern Berg und Webern.
Während dieser Periode unterhielt Adorno darüberhinaus enge Verbindungen zu Horkheimer in Frankfurt und verschrieb sich endgültig dem Projekt Frankfurter Schule.
Adornos Studien bei den Atonalisten hatten mit [Zeile fehlt] Arbeiten über Musik in irgendeiner Hinsicht kompetent auf diesem Feld. Adornos Absicht in Wien war, psychologische Profile über den Schönberg-Kreis zu erstellen und sich selbst gleichzeitig als glaubhaften Teil des musikalischen Milieus aufzubauen, das er herausbringen wollte.
Tatsächlich liegt Adornos besondere Fähigkeit in der Erstellung psychologischer Profile, und der Inhalt dieser Studien kann nicht deutlich genug herausgestrichen werden. Er besteht darin, jedes Objekt einer Untersuchung, sei es ein Individuum, ein besonderes Praxisfeld oder die Arbeit eines speziellen Künstlers, in eine vorgefertigte Schablone zu drücken. Mit anderen Worten: Vor allem der nicht-kreative Aspekt soll in seiner reinen Form - als fixe Formel - dargestellt werden, die dann als Ausgangspunkt zur Manipulierung des Objekts oder zu seiner Reproduktion als bloßem Abziehbild genommen werden kann. Es ist die Fähigkeit, in einen speziellen Wissensbereich einzudringen, dabei sehr schnell die "Sprache" (und nicht den Inhalt) dieses Gebietes zu beherrschen und sie so angemessen zu verwenden, daß auch ein Fachmann sich täuschen läßt. Ein Hochstapler würde ganz ähnlich verfahren. Der gleiche Schwindel liegt auch den meisten "geisteswissenschaftlichen" Fächern zugrunde: Die Fähigkeit, die jeder "ehrgeizige" Student entwickelt, der den Professor "psychologisch auslotet", dessen Denkgewohnheiten und Sonderwünsche verinnerlicht, um sie in der Prüfung mit entsprechender Sprache und Gestik wieder abzuspulen.
Hinter diesem "Talent" steht der schlimmste Zynismus gegenüber der eigenen kreativen sozialen Identität, vermischt mit einem ausgeprägten Hang zu perverser Fantasie-Homosexualität, Nekrophilie, zu Mordimpulsen usw. Das ist die Perspektive, die Adorno und Schönberg - zwar in gering abweichenden Formen - gemein haben und die Adorno in seinen Werken über Musik auf die Spitze treibt.
Die Frage der Tonalität
Nach seiner Übersiedlung von Wien nach Frankfurt produzierte Adorno eine Flut von Schriften zu verschiedenen Aspekten der Musik. Die wesentliche Stoßrichtung seiner Arbeiten bestand in der Herausstellung von Schönberg und seiner Schule gegenüber Strawinski und den "Neo-Klassikern". Dieses Thema wurde später noch einmal in einem ausführlichen Aufsatz, Die Philosophie der neuen Musik, aufgenommen, der 1941 als eines der zwei größeren Bücher Adornos über die Musik veröffentlicht wurde. In diesem Buch setzt Adorno die "Atonalität" von Schönbergs Musik mit dem "kritischen" oder "negativen" Element gleich, das gemäß der Frankfurter Schule bestimmend für die Integrität des künstlerischen Schaffens unserer Zeit ist. Begreift man die Implikationen dieses einen Punktes, so ist kein weiterer Beleg für die wirklichen Absichten der Frankfurter Schule nötig.
Schönbergs Anschlag auf das Tonalitäts-Prinzip in der Musik und Adornos Verteidigung von Schönberg ist mehr als nur der Versuch, schlechte Musik zu rechtfertigen. Als Theorie ist dies eine bewußte Attacke auf den Begriff kognitiver Kohärenz im musikalischen Bereich. Tonalität in der Musik ist eine wissenschaftlich definierte Eigenheit der musikalischen Komposition, die in ihrer vollständigen, strengen Begrifflichkeit erst von Johann Sebastian Bach und seinen Söhnen und von der späteren Wiener Komponisten-Schule bis zur Zeit Ludwig van Beethovens erreicht wurde. Nichtsdestoweniger ist Tonalität auch ein Charakteristikum der Musik, das jeder Hörer mit einer gesunden emotionalen Einstellung erkennt, wenn er über ein Musikstück nachdenkt, zu dem er sich hingezogen fühlt. Tonalität ist ganz einfach die Grundlage tonlicher Kohärenz, die Grundlage, auf der jede Phase eines Musikstücks - sei es ein Lied von Rodgers und Hammerstein, eine Arie aus einer Puccini-Oper oder eine Beethoven-Sinfonie - aufbaut, um ein schon bestehendes Gefühl zu verstärken oder zu konkretisieren, anstatt daß es lediglich erscheint, um als nur vorübergehendes Ereignis wieder zu verschwinden.
In der klassischen Musiktradition ist Tonalität die konkrete Eigenart musikalischer Ordnung, die die Wechselbeziehung zwischen der Entwicklung musikalischer Ideen und dem Prozeß des kreativen Denkens selbst vermittelt. Zu dem Maße, wie der Inhalt der Musik selbst ein bestimmtes Gefühl im Hörer hervorruft, besteht bei jeder Musik, in jeder Periode und in jedem Stil, aus sich heraus eine Tendenz zur Tonalität - selbst wenn der Komponist anderes im Sinn hatte! Auf jede vollständig atonale oder antitonale Musik wird der Zuhörer mit Gefühlen reagieren, die Unordnung, Verwirrung, ... Angst ausdrücken.
Adornos Parteinahme für Schönberg gegenüber Strawinski war eine Parteinahme für die Angst, für den vorsätzlichen Zusammenbruch der kognitiven Kontrolle, in welcher psychotische Impulse, die nichts mit dem objektiven Inhalt sogar von Schönbergs Musik zu tun haben, ins Bewußtsein vordringen und das erwachsene Ego überfluten. In seiner Philosophie der neuen Musik sagt Adorno explizit:
Das eigentlich umstürzende Moment an ihm (Schönberg) ist der Funktionswechsel des musikalischen Ausdrucks. Es sind nicht Leidenschaften mehr fingiert, sondern im Medium der Musik unverstellt leibhaftige Regungen des Unbewußten, Schocks, Traumata registriert. ...Die Narben jener Revolution des Ausdrucks aber sind die Kleckse, die auf den Bildern so gut wie in der Musik als Boten des Es gegen den kompositorischen Willen sich festsetzen, die Oberfläche verstören und von der nachträglichen Korrektur so wenig wegzuwischen sind wie Blutspuren im Märchen.
Und in seiner Einleitung in die Soziologie der Musik betont Adorno die politischen - d.h. die Gehirnwäsche-Implikationen:
Als Schrift eines Gesellschaftlichen wird Musik erst lesbar, sobald jene Momente nicht mehr befremdend den Vordergrund des Bewußtseins okkupieren; sobald das musiksprachlich Neue nicht länger Ausgeburt eines individuellen Willens dünkt, sondern die kollektive Energie hinter den individuellen Manifestationen fühlbar ist.... Angst schlägt um in kaltes Grauen, jenseits der Möglichkeit von Gefühl, Identifikation und lebendiger Zueignung. Jenes Grauen reagiert präzis auf den gesellschaftlichen Zustand; die fähigsten unter den jungen Komponisten sind der sinistren Implikation selber sich bewußt. Unabweislich der Gedanke an tellurische Konflikte und die Fortschritte der Zerstörungstechnik nach ihrem Maßstab. (.../)
Das meint Adorno, wenn er Schönbergs Musik als eine atomisierte Folge von Ereignissen beschreibt, in welchen die "Verbindungen zwischen den einzelnen Phasen durch den Hörer selbst komponiert werden müssen".
Adorno gibt damit zu, daß Schönbergs Konzept der Tonalität und seine Zwölftontheorie - die die fortwährende Wiederholung einer willkürlichen Ordnung der 12 Töne der chromatischen Skala als Grundlage für die tonale Organisation fordert - ein vollständiger Schwindel ist. Er bietet kein tonales System an, das sich dem der klassischen Tradition unterscheidet; dagegen ist die Theorie der Atonalität ein bewußter Anschlag auf die Fähigkeit des Geistes, Ideen zu verstehen, während ihre Praxis lediglich eine Rationalisierung für die vollständige Mißachtung organisatorischer Strenge im kompositorischen Prozeß darstellt.
Sogar Adorno muß, wenn er seine Glaubwürdigkeit aufrechterhalten will, zugeben, daß die Musik Schönbergs und seiner Nachfolger von jedem objektiven, rationalen Standpunkt inkohärent und ein kompletter Reinfall ist. Da im modernen Zeitalter Kohärenz zwischen den subjektiven und objektiven Bereichen durch den "totalitären" Fortschritt der Technologie und ähnlichen Mißbrauch des Irrationalen unmöglich gemacht wurde, so argumentiert Adorno, deshalb seien objektive Kriterien - Wahrheit - keine gültige Basis der Kritik!
Während Adorno zwar zustimmt, daß Beethoven der gewaltigste aller Komponisten sei, besteht er gleichzeitig darauf, daß der anscheinende innere Zusammenhang zwischen Subjektivem und Objektivem bei Beethovens Musik nur zu Lebzeiten Beethovens möglich war. Und in der Tat behauptet Adorno, daß auch bei Beethoven die subjektive Bestimmung nicht als potente Kraft in der objektiven Welt sichtbar wird. In Ihr spiegeln sich passiv lediglich bestimmte objektive Formen, und diese reproduzieren sich ironischerweise durch einen Prozeß, der notwendigerweise von der objektiven Realität entfremdet ist, der Prozeß des inneren Selbst, der sich in sich selbst entfaltet. Und sogar Beethoven kann, so schlußfolgert Adorno, eine solche prekäre Wechselbeziehung mit der Realität nicht lange aufrechterhalten, und deshalb mußte er sich in seiner späten Periode in die "Innerlichkeit" seiner Streichquartett-Kompositionen zurückziehen.
Die Kriegsjahre und danach
Ende der 30er Jahre findet eine plötzliche Wende in Adornos Beschäftigung mit der Musik in Richtung auf "angewandte Musiksoziologie" statt. Diese Wende deckt sich genau mit der Schwerpunktverlagerung der fabianischen Gegenaufklärung auf psychologische Kriegsführung. 1939, als Adorno sich mit dem Rest der Frankfurter Schule in die USA zurückgezogen hatte, stieg er in die Stellung eines Kodirektor des Princeton Radio Research Projekts auf.
Adornos zweites Buch über die Musik, die Einleitung in die Musiksoziologie, ist eine Ausarbeitung psychologischer Profile von sieben verschiedenen Hörer-Typen, die aktual in der Gesellschaft gar nicht vorkommen, sondern er beschreibt, wie verschiedene Hörgewohnheiten und Geschmäcker sich mit besonderen Charaktertypen decken, die sich psychologisch auf ihre eigenen primitiven Emotionen beziehen. Adorno ist nicht daran interessiert, ob ein solcher Typ in der Bevölkerung wirklich existiert, dagegen um so mehr daran, wie solche Typen geschaffen oder wie der eine in den anderen Typ umgewandelt werden kann. Er beweist, wie beispielsweise ein Hörer, der gerne Musik aus dem 17. Jahrhundert und davor hört, dasselbe psychologische Profil zeigt wie ein Jazzkenner: unterdrückte Wut. Er zeigt auf, wie die Beziehung eines durchschnittlichen Hörers zur Musik analog zur Beziehung eines Süchtigen zur Droge gesehen werden kann. Adorno beschäftigt sich mit jeder Art von Musik, vom Jazz bis zur Großen Oper, und zwar in Beziehung zu jedem psychologischen Charaktertyp und zu den verschiedenen Massenmedien; seine Arbeiten stellen somit die Grundlage für die Umwandlung jener Medien in Instrumente psychologischer Massenmanipulation dar.
Im Jahr 1940 war Adorno in der Musikwelt genauso fest verankert wie ein wirklicher Berufsmusiker. Er stand in enger Beziehung zu führenden Musikkritikern wie Ernst Newman und zu Vertretern der jüngeren Komponistengeneration wie Ernst Krenek (mit dem er schon bei den Radio Research Studien zusammengearbeitet hatte). Seine Schriften über moderne Musik wurden vom "Musikuntergrund" gelesen, was seinen persönlichen Einfluß noch weiter verstärkte. Da jegliche gegenläufige Tendenz fehlte, die sich auf eine gesunde Auffassung der Wissenschaft schöpferischer Musik gründete, befand sich Adorno in einer so einflußreichen Position, daß er innerhalb von sechs Monaten gegen Ende des Krieges eine abrupte und entscheidende Tendenzwende unter den jüngeren Komponisten weg von Strawinski hin zu Schönberg, Webern und der 12-Ton-Schule bewirkte.
In Paris wurde damals ein Gedenkkonzert für Strawinski gegeben. Alle jungen Komponisten waren zugegen und begannen bei dieser Gelegenheit die öffentliche Demontage Strawinskis: mit Spruchbändern, Buh-Rufen und frühzeitigem Verlassen des Konzertsaales. Die 12-Ton-Musik wurde so über Nacht die Musik der jungen Wilden, und bald entwickelten Leute wie Stockhausen und Boulez die "Ultra-12-Ton"-Techniken entlang der Linien, wie sie Adorno sechs Jahre zuvor in der Philosophie der Neuen Musik aufgezeigt hatte. Um sicherzustellen, daß die Musikerziehung in den Konservatorien und Universitäten nicht hinter die Zeit zurückfiel, entwickelten Leute wie Felix Salzer (jetzt am Queens College in New York City) Adornos Theorie des "strukturellen Hörens" (von Adorno in der Einleitung in die Musiksoziologie als die Hörweise des "Experten" bezeichnet) in musikalischen Begriffen, und gaben dies auch noch als den Standpunkt des Theoretikers Heinrich Schenker aus. Gleichzeitig verhinderte Salzer zusammen mit dem Elektronik-Zauberer Milton Babbitt aus Princeton und dem führenden amerikanischen Kakophonisten Roger Sessions, daß Schenkers tatsächliches Werk, worin das Konzept der Tonalität in der Musik korrekt definiert und verteidigt wird, ins Englische übersetzt und veröffentlicht wurde.
Über den Autor:
DR. PETER WYER hat auf dem Bereich der Musik wie auch den Wissenschaften eine umfassende akademische Ausbildung. Bevor er 1961 auf das College und Konservatorium in Oberlin ging, hatte er schon zwei Konzerte als Solopianist gegeben. Nach zwei Jahren verließ er Oberlin als Bester seines Jahrgangs, studierte darauf als Stipendiat bei Darius Milhaud am Aspen-Julliard Sommerkonservatorium in Colorado Komposition und betrieb Studien mit Robert Goldsand und anderen in New York, um seine Fähigkeiten als Pianist weiter auszubilden.
Nach einigen Jahren unabhängiger Arbeit über Musikgeschichte und -theorie zusammen mit einem Kreis professioneller Komponisten und Musiker in New York schrieb er sich 1968 in die naturwissenschaftliche Fakultät der Columbia University ein und graduierte 1970 Summa Cum Laude als Biologe. 1974 erhielt er einen Doktorgrad von der University of Pennsylvania School of Medicine. Frühjahr 1974 schloß sich Dr. Peter Wyer dem National Caucus of Labor Committees an und hat sich seitdem vor allem erzieherischen Aufgaben gewidmet. Im Dezember-Januar 1977-78 veranstaltete er in New York ein Seminar über musikwissenschaftliche Fragen, die "Aretino-Vorlesungen", auf denen er die Ergebnisse seiner Forschungsarbeiten aus dem letzten Jahr präsentierte.
Bibliographischer Hinweis:
"Der Feldzug der Frankfurter Schule gegen die Musik" - Erstveröffentlichung: New Solidarity, Jhg. 8, Nr. 3 (8. März 1977)
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