Nachfolgend ein Auszug aus der Petition der Bürgerinitiative »Volksgesetzgebung für Niedersachsen« an den niedersächsischen Landtag vom 14.11.1990. Beim Durchlesen dieses historischen Dokuments fiel mir auf wie viel von der Begründung heute mehr denn je aktuell ist:
Begründung der Petition
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete des niedersächsischen Landtagesl
Wenn
am 1. Mai 1991 das Inkrafttreten unserer vorläufigen niedersächsischen
Verfassung sich zum vierzigsten Male jährt, wird eine Zeit der
Festtagsreden und Feierstunden, in denen die Vergangenheit gewürdigt und
die Zukunft beschworen werden wird, ihren Höhepunkt erreichen. Doch die
zukünftige Ordnung unseres Gemeinwesens liegt jetzt und ganz konkret in
unser aller Hände, da anläßlich der Vollendung der deutschen Einheit
unsere vorläufige Verfassung sich gemäß ihres letzten Absatzes außer
Kraft setzen wird. Dies ist eine Herausforderung nicht allein für den
niedersächsischen Landtag, sondern für alle niedersächsischen Bürger.
Dieser
Herausforderung werden wir zu begegnen haben im Kontext der neueren
deutschen und europäischen Geschichte, insbesondere der derzeitigen
revolutionären Veränderungen, in deren Mittelpunkt die Frage nach der
Rolle der Bürger in ihrem Gemeinwesen steht: Hat der einzelne Bürger, so
wie es das demokratische Prinzip verlangt, gleichberechtigten Zugang
zur Macht, oder bleibt er weiterhin mehr oder minder von der Mitwirkung
an der konkreten politischen Willensbildung ausgeschlossen und die
politische Gestaltungsmacht das Privileg weniger? Die Stellung der
Bürger gegenüber Parlament und Regierung ist die wichtigste Frage des
Hier und Jetzt.
I.
Mit
der Vollendung der Verfassungsreform in Schleswig-Holstein ist
Niedersachsen der letzte Flächenstaat im ehemaligen Bundesgebiet, in dem
der Bevölkerung die direkte Gestaltung der eigenen Lebensbedingungen,
sofern sie durch Rechtsfragen bestimmt sind, verweigert wird. Doch erst
das elementare staatsbürgerliche Recht auf direkte Gestaltung der
staatlichen Ordnung durch Abstimmungen macht einen Staat zur wirklichen
Demokratie. Solange das Volk nur Parteikandidaten und Parteiprogramme
wählen und dergestalt lediglich pauschal und indirekt auf die politische
Entwicklung Einfluß nehmen kann, ist das demokratische
Selbstbestimmungsrecht der Gesamtbürgerschaft und damit auch die
sachliche Kontrolle der Volksvertretung konkret nicht möglich.
Wenn
der Grundsatz, »Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.« (Grundgesetz
Artikel 20 und Vorläufige Niedersächsische Verfassung Artikel 2) nicht
nur eine wohlklingende Formel bleiben, sondern praktisch einen Wert
haben soll, muß es das unmittelbare Initiativrecht des Volkes und dessen
letzte Entscheidungsvollmacht, die Volksabstimmung, als zweite
(autonome) Säule unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung —
neben der durch die Wahlen pauschal legitimierten Arbeit der
parlamentarischen Organe — geben.
Auf der anderen Seite ist es so,
daß die Praxis der direkten Demokratie — also des außerparlamentarischen
Initiativrechtes, des Volksbegehrens und des Volksentscheides — auch in
den Bundesländern, in denen diese verfassungsrechtlich schon länger
wirksam sind (so in Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen,
Saarland, Nordrhein-Westfalen und Bremen; die Situation in
Schleswig-Holstein läßt sich noch nicht abschließend bewerten, da ein
Ausführungsgesetz zu der am 1. Juli 1990 in Kraft getretenen
verfassungsrechtlichen Neuregelung noch nicht vorliegt, die Artikel 41
und 42 der neuen Landessatzung sind jedoch ein deutlicher Fortschritt
gegenüber den anderen länderrechtlichen Regelungen), bisher nur eine
marginale Bedeutung gewann. Der Grund dafür liegt jedoch — wie wir
meinen — nicht im mangelnden demokratischen Engagement der Bevölkerung
oder in der absolut überzeugenden Akzeptanz der Arbeit der
parlamentarischen Organe, so daß es keinerlei Handlungsbedarf für den
unmittelbaren Volkswillen gäbe. Es ist vielmehr so, daß die Art und
Weise, wie die Volksgesetzgebung — ein weitergehendes Initiativrecht
kennt bisher nur Schleswig-Holstein — in den verschiedenen Bundesländern
geregelt ist, direktdemokratische Gestaltungsimpulse eher behindert als
fördert.
Daher haben wir bei unserem Vorschlag, das Initiativ- und
Abstimmungsrecht des Volkes zu regeln, neue Wege beschritten, die nicht
nur den in sich demokratischen Charakter dieses Weges garantieren,
sondern unserer Überzeugung nach auch das demokratische Engagement der
Bürger ermutigen und herausfordern werden.
II.
Unser Plädoyer für das Initiativ- und Abstimmungsrecht des Volkes gründet nicht in dem Motiv, den Bürgern »die eigenständige Durchsetzung ihrer Anliegen und Interessen zu erleichtern« oder dem »Wollen einer stärkeren Beteiligung der Bürger an politischen Entscheidungen«; ein solcher Blickwinkel verzerrt schon im Ansatz das Bild vom Wesen der Demokratie, wie es sich aus dem Prinzip der Volkssouveränität, welches ja auch der vorläufigen Niedersächsischen Verfassung zugrundeliegt (Art. 2), ergibt. Wo — konsequent gedacht — dieses Prinzip das Fundament der staatlichen Ordnung ist, ist es dieses in erster Linie als Quelle der Legitimierung dessen, was als Recht und Gesetz verbindlich sein soll, und als diejenige Instanz, welche die Exekutive zur Wahrnehmung ihrer verfassungsmäßigen Aufgaben demokratisch bevollmächtigt.
Nur Letzteres ist bisher durch die Wahl der Volksvertretung gewährleistet. Keineswegs ist damit auch das Legitimitätsproblern schon hinreichend gelöst. Denn bei der Wahl haben die Staatsbürger lediglich die Möglichkeit, faktisch nur pauschal dem gesamten Programm einer Partei zuzustimmen; es gibt keine Möglichkeit der inhaltlichen Differenzierung, auf die es aber bei der Gesetzgebung doch entscheidend ankommt. Die mehrheitlich Gewählten ihrerseits leiten daraus zwangsläufig die Schlußfolgerung ab, es seien aufgrund ihres Wahlerfolges alle ihre Gesetzgebungsvorhaben a priori demokratisch legitimiert und die Widerspiegelung des Mehrheitswillens des Souveräns.
Doch diese Interpretation des Mehrheitswillens entspricht nicht den Tatsachen. Tatsache ist, daß es wegen des pauschalen, in sich undifferenzierten Wählvotums faktisch nicht möglich ist zu wissen, ob die parlamentarische Mehrheit in den politisch-gesetzgeberischen Einzelentscheidungen auch tatsächlich legitimiert ist durch den Mehrheitswillen der stimmberechtigten Bürgerinnen und Bürger.
Das Akzeptanzkriterium in der Demokratie ist immer der Mehrheitswille als der (je vorläufige) Schlußpunkt des offenen gesellschaftlichen Diskurses über eine Gestaltungsaufgabe, die der rechtlich-politischen Entscheidung bedarf. Wo der Mehrheitswille aber keine Chance hat, sich konkret zu artikulieren, entsteht — aktives demokratisches Bewußtsein in der Bevölkerung vorausgesetzt — ein Akzeptanzproblem bzw. Akzeptanzschwund. Er ist die Folge der mangelnden Transparenz, die strukturell besteht, wenn die politische Ordnung einer ihrem Selbstverständnis nach demokratisch verfaßten Gesellschaft ausschließlich über mittelbar-demokratische — sprich: parlamentarische — Gestaltungszusammenhänge verfügt.
Hier liegt die VVurzel aller Krisenerscheinungen der parlamentarischen Demokratie und auch die Ursache der Perversionen, die — vor allem aus dem Bereich der Exekutive — verstärkt in Erscheinung treten.
Unsere begründete These lautet, daß sowohl das Akzeptanzproblem als auch die »Verführungen der Macht« die ja insbesondere mit der Ausübung der exekutiven Funktionen verbunden sind, geradezu ruckartig verschwinden, wenn die Legitimitätsfrage — d.h. wie kann sich der Gemeinwille die demokratische Autorität in der Gesellschaft verschaffen? — sachgemäß beantwortet ist. Und diese Frage ist nur sachgemäß zu beantworten durch die sachgemäße Ermöglichung der Volksgesetzgebung.
Hinzu kommt, daß ein ausschließlich auf den Parteienpluralismus gestütztes parlamentarisches System wiederum strukturell-politisch zu einer Zweiklassengesellschaft führt die politische Mitwirkungsmöglichkeit all derjenigen Bürgerinnen und Bürger, die sich keiner Partei anschließen und selbst auch keine ins Leben rufen wollen, ist und bleibt auf die Beteiligung an Wahlen beschränkt. Nun gibt es aber nachweislich Menschen, die nicht — wie die Parteien — ideologisch gesamthaft Einfluß nehmen wollen auf die Politik; sie sind sachkundig und engagiert für bestimmte Bereiche, haben zur Lösung der Probleme innerhalb dieser Bereiche Ideen, Vorschläge und auch den Willen, sich für ihre Vorstellungen einzusetzen. Das enorme Potential an problemlösender Kreativität der Gesellschaft, das sich in dieser Weise sachpolitisch einbringen möchte, liegt brach, wenn sich das Tor zur politischen Kompetenz ausschließlich den Wegen des Parteienstaates öffnet. Auch für diese Entrechtung und Diskriminierung jener Bürgerinnen und Bürger, die das Parteipolitische ablehnen — was ja in der Demokratie dieselbe Achtung verdient wie das Parteiengagement kann nur die sachgemäße Ermöglichung der Volksgesetzgebung der Weg sein, durch den sie die gleichen staatsbürgerlichen Rechte genießen.
III.
Wenn
es das entscheidende Kriterium der Demokratie ist, daß Recht und Gesetz
bestätigt sind durch den Gemeinwillen (konkret: durch den
Mehrheitswillen derjenigen, die sich als wahl- und stimmberechtigte
Bürgerinnen und Bürger an der Gestaltung des öffentlichen Lebens
beteiligen), dann ergibt sich aus diesem Kriterium, daß man noch in
obrigkeitsstaatlichen Vorstellungen befangen ist, wenn man meint, es
gelte, »Bürgerrechte« gegenüber Parlament und Regierung »zu verbessern«
die Beteiligung der Bürger »zu stärken« oder die Interessendurchsetzung
»zu erleichtern«; denn man hätte den Grundsatz der Volkssouveränität
schon mißachtet, wenn man ihn nicht so verstünde, daß vom Volke selbst
»alles Recht ausgeht« (wie es z.B. die Bundesverfassung Osterreichs
exakt auf den Punkt hin formuliert). Wenn das — rechtslogisch,
rechtsphilosophisch und demokratietheoretisch — richtig gedacht ist,
dann kann es doch — umgekehrt — immer nur darum gehen, ob es (aus
welchen Gründen auch immer) angezeigt erscheint, die Rechte des
Parlaments und der Regierung »zu verbessern«, d.h. ihnen die
Handlungsspielräume zu geben, die sie brauchen, um ihren Aufgaben
gerecht zu werden. Stellt man die Frage umgekehrt gibt man in Tat und
Wahrheit zu erkennen, daß man aus einem System heraus spricht, das noch
nicht bei der Demokratie angekommen ist.
Wir halten daher fest: Zwar
formuliert die Vorläufige Niedersächsische Verfassung in ihrem Artikel 2
als Fundament der staatlichen Ordnung den Grundsatz der
Volkssouveränität — was anders könnte auch, über zweihundert Jahre nach
der französischen Revolution, als zeitgemäß gelten? — aber sie
konkretisiert ihn unzureichend, d.h. so, daß eben doch wieder ein
obrigkeitsstaatliches System entsteht (pauschal geht zwar »alle Gewalt
vom Volke aus« aber konkret — in den sachpolitischen Entscheidungen —
wird sie ausgeübt von den parlamentarischen Organen, ohne das die
Staatsbürger eine Möglichkeit hätten, korrigierend, kontrollierend, oder
auch eigeninitiativ einzugreifen).
Volkssouveränität als Fundament
der Demokratie ist aber nur dann die reale Quelle der
staatlich-politischen Evolution »aller Gewalt«), wenn die
Rechtsgemeinschaft der freien und gleichen (wahl- und stimmberechtigten)
Bürgerinnen und Bürger selbstbestimmt die Möglichkeit haben, durch
entsprechende Initiativen (für die Gesetzgebung) das öffentliche Leben
zu gestalten. Nur wenn es diese Möglichkeit gibt, geht davon auch die
demokratische Legitimität für diejenigen Entscheidungen aus, die von den
Volksvertretungen gefällt werden. Dabei kann die Legitimitätsfrage
dreifach verschieden beantwortet werden: a) Ergreift niemand die
Initiative gegen einen Parlamentsbeschluß (Referendum) bedeutet das
»schweigende Zustimmung« b) Kommt es zu einer solchen Initiative und zur
Volksabstimmung gegen eine Entscheidung der Volksvertretung, kann das
zur Bestätigung der Entscheidung führen (»erklärte Zustimmung«).
Herauskommen kann aber auch c) die Ablehnung; in diesem Fall verliert
der Parlamentsbeschluß seine rechtliche Verbindlichkeit. Damit ist im
Prinzip nachgewiesen, daß »Transparenz und Akzeptanz der
Parlamentsarbeit für die Bürger/innen und Gruppen« sachlogisch und
effektiv nur dadurch strukturell herbeigeführt werden können, daß die
Legitimitätsfrage aus dem Wesen der Demokratie mit der Ermöglichung der
Volksgesetzgebung beantwortet wird. Nur wo die beiden elementaren
»staatsbürgerlichen Grundrechte« das Wahlrecht einerseits und das
Gesetzesinitiativ- und Abstimmungsrecht andererseits, noch nicht
komplementär verwirklicht sind, sondern nur das Wahlrecht gewährleistet
ist, kann eine Situation entstehen, für welche sich dann die Frage nach
der »Verbesserung der Bürgerrechte gegenüber Parlament und Regierung«
stellt. Sind beide staatsbürgerlichen Grundrechte gewährleistet, wie es
vom Wesen der Demokratie her gesehen notwendig ist, gibt es im Prinzip
keinen Verbesserungsbedarf mehr; dann kann es nur sein, daß diese
staatsbürgerlichen Grundrechte oder eines von beiden —schlecht geregelt
sind. Dann müßte man nicht diese »Rechte« sondern deren Regelung
verbessern. Unser Vorschlag zur Regelung des direktdemokratischen
Initiativ-und Abstimmungsrechtes will solche Kriterien der Regelung
verfassungsrechtlich verankern, die eine optimale Wahrnehmung des
Rechtes durch die Bürger/innen erlauben.
IV.
Unser konkreter Vorschlag zur Regelung des Initiativ- und Abstimmungsrechtes des Volkes ist an den folgenden drei Kriterien orientiert:
- Das Rechtsprinzip der Volkssouveränität erfordert, daß die Initiative zu einem Volksentscheid ausschließlich aus der Mitte des Volkes — d.h. nicht von Organen des parlamentarischen Systems — ausgehen darf und daß der Volksgesetzgebung alle politischen Materien zugänglich sein müssen.
- Die Höhe der Mindestzustimmung für den Erfolg von Initiative, Begehren und Entscheid muß dem, was durch den jeweiligen Schritt wesensmäßig geschieht, entsprechen und bezogen auf die Gesamtheit der Stimmberechtigten angemessen und initiativenfördernd festgelegt sein.
- Angesichts der Bedeutung, welche die Massenmedien in den letzten Jahrzehnten für die Urteilsbildung der Menschen über politische und gesellschaftliche Fragen gewonnen haben, ist es unabdingbar, daß die Berichterstattung in den Massenmedien des Landes das Für und Wider der Anliegen von Initiative und Begehren im Rahmen einer bestimmten Zeitspanne vor dem Abstimmungstermin tendenziell gleichberechtigt widerspiegelt Hierfür ist eine entsprechende gesetzliche Regelung erforderlich.
Daraus ergeben sich die folgenden Durchführungsnotwendigkeiten:
a)
Mit dem Quorum von zehntausend Stimmberechtigten für die Ausübung des
Gesetzesvorschlagsrechtes wollen wir erreichen, daß zum einen ein
kräftiges demokratisches Leben an der Basis der Gesellschaft sich
entfaltet und zum andern eine wirkliche Zusammenarbeit zwischen Volk und
Volksvertretung in Gang kommt. Auf diese Weise werden die Gewählten
mehr verwiesen sein auf die Vorstellungen, die in der Bevölkerung leben;
sie werden sich dadurch mehr in die Rolle wirklicher Volksvertreter
hineinfinden und weniger als Parteivertreter agieren.
Für diese erste
Stufe des dreistufigen plebiszitären Prozesses ist wichtig, daß die
Volksinitiative ihr Anliegen weiterverfolgen, d.h. ein Volksbegehren
einleiten kann, wenn der Landtag ihren Gesetzentwurf ablehnt. Bedeutsam
ist für die erste Stufe außerdem, daß nach dem Vorschlag die
Öffentlichkeit von der Gesetzesvorlage einer Initiative authentisch
durch die — gesetzlich zu garantierende —Veröffentlichung in den
Massenmedien unterrichtet wird.
b) Beim Quorum von zweihunderttausend
Stimmberechtigten für den Erfolg eines Volksbegehrens liegt unser
Vorschlag um das Doppelte über den zum Beispiel in der Schweiz bewährten
Regelungen. Wenn wir meinen, daß es zum Volksentscheid kommen soll,
wenn ca. 7% der Stimmberechtigten das wollen, ist das zwar eine hohe
Hürde, doch nicht unerreichbar. Regelungen zwischen 10% (wie in Bayern)
und 20% (wie z.B. in Hessen) zeigen, daß es für Bürgerinitiativen so gut
wie ausgeschlossen ist, diese Bedingungen zu erreichen.
c) Als
Kostenausgleich schlagen wir — analog der Wahlkampfkostenerstattung für
die Parteien — vor, erfolgreichen Volksbegehren einen angemessenen
Betrag (bis etwa DM 100 000,--) aus öffentlichen Mitteln zur Verfügung
zu stellen.
d) Äußerst wichtig ist die Medienklause! (Artikel 33 a
Absatz 3 und Artikel 33 b Absatz 3 Satz 2). Anders als bei der
routinemäßigen Alltagsberichterstattung geht es im Fall von
Volksbegehren, die den Volksentscheid erreicht haben, um Anlässe, über
die der Gemeinwille des Souveräns sein demokratisches Mei° zu fällen
hat.
Diese Fälle politischer Willensbildung, zu der die
Gesamtbürgerschaft aufgerufen ist, sind Anlässe von höchster
gesamtgesellschaftlicher und rechtsstaatlicher Relevanz. Aus dieser
Tatsache muß folgen, daß jene Organe, die den dominierenden Einfluß auf
die öffentliche Meinungsbildung ausüben — also die Massenmedien — in
einer demokratisch geregelten Weise ihre soziale Verpflichtung hierbei
dergestalt anerkennen müssen, daß im Vorfeld der Volksabstimmung Für und
Wider gleichberechtigt zu Wort kommen können. Dies ist ein Erfordernis
aus einem der wichtigsten Rechtsansprüche der Gesamtbürgerschaft im
Zusammenhang der Volksgesetzgebung (freie Urteilsbildungl).
e) Für
das Ideal einer freiheitlichen Demokratie ist es ganz unvorstellbar, ein
anderes Entscheidungskriterium für die Volksabstimmung als die Mehrheit
der abgegebenen Stimmen festzulegen. In einer freiheitlichen Demokratie
darf auf den freien Willen der Bürger/innen kein Zwang derart ausgeübt
werden, daß man — weder für Wahlen noch für Abstimmungen —
Mindestbeteiligung bzw. Mindestzustimmung vorschreibt.
Für
Entscheidungen über verfassungsändernde Gesetze haben wir die für den
entsprechenden parlamentarischen Beschluß geltende Regelung
(Zweidrittelmehrheit der abgegebenen Stimmen) übernommen, doch sind auch
hier andere Regelungen denkbar (siehe Bayern, Hessen und Saarland, wo
auch die einfache Mehrheit ausreicht).
V.
Wir
wollen nicht verschweigen, daß mancherorts Bedenken gegen unser
Vorhaben gehegt werden. Jedoch meinen wir, daß unsere Petition auf die
Mehrzahl dieser Einwände Antworten bereithält, und daß das von uns
vorgeschlagene dreistufige Initiativ- und Abstimmungsrecht des Volkes
der effektivste Weg ist, den heutigen politischen Legitimationsdefiziten
zu begegnen, und daß sie letztendlich zu einer Verbesserung von
Transparenz und Akzeptanz der parlamentarischen Arbeit führen wird.
Wir
hoffen, daß unsere Petition über den gegebenen Anlaß hinaus den Anstoß
für eine ausführlichere Beschäftigung des Niedersächsischen Landtages
mit den Fragen der direkten Demokratie gibt, und diesen zu einer nicht
nur für Niedersachsen wegweisenden Entscheidung veranlaßt. Auch würden
wir uns freuen, wenn jedes einzelne Mitglied des Landtages zu unserem
Anliegen selbst Stellung nehmen würde. Noch lieber wäre es uns
allerdings, wenn die Abgeordneten eine Entscheidung der
niedersächsischen Bürgerinnen und Bürger selbst ermöglichen würden. Wir
fänden es begrüßenswert, wenn der Landtag diesen Weg auch dann
beschreiten würde, wenn er selbst sich nicht in der Lage sähe, unserer
Petition zu entsprechen, kann doch die Frage nach dem Umfange der
Entscheidungskompetenz des Souveräns eigentlich verbindlich nur von
diesem selbst entschieden werden.
Ihrer Antwort sehen wir erwartungsvoll entgegen.
Mit freundlichen Grüßen Hannover, 14. November 1990
Bürgerinitiative »Volksgesetzgebung für Niedersachsen«
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