16.7.06

Bärchen und die Milchbubis


Der folgende Text entstand für die "Punk Rock BRD"-3-CD-Box von Weird System, wurde aber von dem Label aus welchen Gründen auch immer (zu lang? nicht "punkig" genug?) (fast) nicht verwendet:

Kurz-Info

Bärchen und die Milchbubis, für die Punks zu harmlos, für die Masse zu garstig, schrieben sich mit dem Schunkelpunk "Jung kaputt spart Altersheime" in die Analen des Deutsch-Punk ein, lehnen aber jede Verantwortung für die späteren Alkoholexzesse von Gruppen wie der Deutschen Trinkerjugend oder den Toten Hosen ab. Andreas, Anette, Rudolf und Martin, später Kai, spielten von 1980 bis 1983 in der heimlichen Punk-Metropole Hannover ihre völlig eigene Mischung aus Punk und New Wave für sich und niemand anderen und mussten sich daher nie für Nordstadt-Neger oder Gossen-Kids entscheiden. Ätsch!

Biographie

In Hannover im Frühjahr 1979 fanden sich Martin Fuchs (Bass, Gesang), Rudolf Grimm (Gitarre, selbstgelöteter Gitarrenverstärker) und Andreas Kühne (Schlagzeug, Auto), inspiriert von Auftritten von Rotzkotz und Hans-A-Plast und dem Fanzine NO FUN, zusammen mit Peter Danos (Bass, Gesang) zur Punk-Band TBC zusammen. Ziel war es, ohne die musikalischen Fähigkeiten, die andere Schülerbands hatten, schneller zu Ruhm und Erfolg zu kommen. Erste Auftritte zusammen mit Hans-A-Plast und Bombed Bodies brachten jedoch keine Punk-Credibility, da die Band zu normal aussah und mit den falschen Leuten (verwirrte Künstler und angepunkte Studenten) abhing. TBC lösten sich nach einem halben Jahr wieder auf. Nach einiger Zeit begannen Andreas, Martin und Rudolf auf Vorschlag von Hollow Skai (NO FUN Fanzine, später NO FUN Records zusammen mit Hans-A-Plast) zusammen mit Anette Grotkasten (Gesang, Grafik) wieder zu proben und neue Stücke zu schreiben. Den Bandnamen dachte sich Renate Baumgart (Hans-A-Plast) aus - nach Mitternacht im Fillmore List hieß die Band auch "Bierchen und die Flaschenkinder" - und wieder ging es mit Hans-A-Plast auf Tournee. Nach der Gründung von NO FUN-Records steckte Hollow Skai die Band sofort ins Studio und heraus kam die erste Single "Jung Kaputt spart Altersheime". Zum Erscheinen der Single verlies Martin Fuchs die Band aus den üblichen "persönlichen Gründen", über die heute alle lachen würden, und wurde durch Kai Nungesser mehr als kompetent ersetzt. Weitere Auftritte und die Teilnahme an der "Jubel '81"-Tournee zusammen mit den 39 Clocks, A5, Rotzkotz, Hans-A-Plast und Der Moderne Man (alle auch auf NO FUN Records) durch ganz (West-)Deutschland, sowie den vom Bayrischen Fernsehen mitgeschnittenen "Münchener Rocktagen" gaben der Band die Möglichkeit, ihren eigenen Sound zwischen den Lurkers und Ricky King zu finden, dabei die Grenzen von Punk zu überschreiten ohne jedoch dessen Energie und Respektlosigkeit aufzugeben. Die Songtexte wurden ähnlich wie bei Hans-A-Plast aus der Position einer selbstbewussten Frau heraus formuliert im Kontrast zu dem eher niedlichen Bandimage und -namen (während die soundmäßig härtere Konkurrenz von Nichts eher traditionelle Rollenstereotype bediente). Ähnlich schnell wie die Single entstand im Herbst 1981 die LP "Dann macht es Bumm", die einen deutlichen Schritt zu musikalischer Eigenständigkeit darstellte und auf überwiegend positive Rezensionen traf. Das Lied "Muskeln" erschien auf Grund seiner Beliebtheit beim Radiosender Ö 3 in Österreich als Single und brachte der Band die Möglichkeit zu einem Auftritt in der ARD-Musiksendung "Bananas". Der Druck auf die Freizeitkapelle wurde zu groß, ohne dass ein professionelles Musikerleben wegen des sich anbahnende Absturzes der Neuen Deutschen Welle eine realistische Zukunftsperspektive darstellte. Außer der Coverversion "DNS" - ein Song der 39 Clocks, mit denen Bärchen und die Milchbubis auf "Jubel '81"-Tournee Freundschaft schlossen und für deren nie erschienen Psychotic Promotion-Sampler sie den Titel "Bites" aufnahmen, während die 39 Clocks sich für eine ebenfalls unveröffentlichte Split-Single an einer englischen Version von "Muskeln" versuchten - und 3 Demos, mit denen NO FUN-Records versuchten, ähnlich anderen unabhängigen Labels (wie z.B. Schallmauer, die nach dem Erfolg von Nichts mit Silvi und die Awacs ihre eigene BudM-Kopie ins Rennen schicken) einen Vertriebs-Deal mit der Industrie abzuschließen, bleibt die zweite LP nur eine vage Idee. Auch der ständig wachsenden Widerspruch zwischen Bandname und -image einerseits und der persönlichen Entwicklung der Bandmitglieder andererseits lassen die Band schließlich im Sommer 1983 das Handtuch werfen.
Bärchen und die Milchbubis, das ist die Geschichte einer Band, inspiriert von Punk, neugierig sich auszuprobieren, vom Glück angelächelt, doch zu klug, um im Fußvolk des Musikgeschäfts zu enden.

Website: http://www.baerchen-und-die-milchbubis.de/
Downloads: http://www.baerchen-und-die-milchbubis.de/Mp3%20Downloads.html, http://www.baerchen-und-die-milchbubis.de/videos.html

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Danke für den "Bärchen und die Milchbubis"-beitrag !

Aus der Zeit kann ich einfach nicht genug hören ...