28.3.22

2 Kinder 25 Jahre

"NEG.NR.<15> 08.97 07"
<15>...Foto gefunden im öffentlichen Bücherschrank...

25.3.22

Lampe


... Foto gefunden auf Straße...

24.3.22

Fridays For Future goes über-woke

Am 23.3.2022 erhielt die Musikband RONJA MALTZAHN & THE BLUEBIRD ORCHESTRA von Friday For Future die Nachricht, dass sie nicht auf der FFF-Demo in Hannover auftreten dürfe, weil die Sängerin der Band Dreadlocks habe. Sollte sich Ronja Maltzahn aber die Haare schneiden dürfe die Band doch auftreten, eine Aussage, die laut einer späteren Presseerklärung von FFF so nicht hätte getroffen werden dürfen weil unsensibel und grenzüberschreitend. Im übrigen sei man bereit nach der Demo in Austausch zu gehen.

An diesem Vorgang so viel falsch dass es sich lohnt ins Detail zu gehen. Zum einen ist das Angebot, nach der Demo "in Austausch" zu gehen heuchlerisch, weil der Schaden der öffentlichen Ausladung und Diffamierung nicht wieder gut zu machen ist. Auch das Angebot, die Band dürfe auftreten, wenn Ronja Maltzahn ihre Haare schneide, ist Ausdruck von Überheblichkeit und fordert von der Band eine Unterwerfungsgeste, wo diese doch mit ihrem Auftritt eine gleichberechtigte Solidarität mit FFF demonstrieren wollte. Dass sich FFF für dieses "Angebot" entschuldigt hat ändert nichts daran dass die Forderung in der Welt ist und zudem die Ausladung weiterhin besteht. Zudem beschwört die Aufforderung sich die Haare zu schneiden Bilder herauf von Frauen mit kahlgeschorenen Köpfen, die wegen angeblicher Kollaboration mit Besatzungssoldaten 1945 durch französische Straßen getrieben wurden. Soviel zur historischen Sensibilität von FFF. Das diese Forderung überhaupt erhoben wurde belegt einen moralischen Rigorismus von FFF, der leicht in Gewalt gegen Menschen umschlagen kann. Dazu passt auch, dass Dreadlocks ja ein religiöses Symbol der Rastafari sind. Ich weiß nicht, ob Ronja Maltzahn Anhängerin dieses Glaubens ist, aber falls dies der Fall sein sollte wäre die Forderung sich die Haare schneiden zu lassen ein Angriff auf ihren Glauben, weshalb FFF dies im Vorfeld hätte klären müssen was aber offenbar nie jemand in Erwägung gezogen hat. Ob FFF es auch wagen würde Gil Ofarim nur unter der Auflage, seinen Davidstern-Anhänger zu verstecken, auf die Bühne zu lassen?

Aber warum sind die Dreadlocks von Ronja Maltzahn überhaupt ein Problem? Laut FFF seien Dreadlocks bei weißen Menschen eine kulturelle Aneignung, schwarze Widerstandssymbole hätten auf weißen Köpfen nichts zu suchen. Zudem wolle FFF ein "Safe Space" für BiPoC's sein. Nun stellt sich die Frage, inwieweit es sinnvoll ist FFF als "Safe Space" zu begreifen, als einen Schutzraum, in dem marginalisierte Personen sich diskriminierungsfrei austauschen können. Tatsächlich ist FFF und insbesondere die von FFF veranstalteten Demonstrationen und Aktionen genau das Gegenteil eines "Safe Space" weil FFF sich nicht von der Öffentlichkeit absondern, sondern im Gegenteil an die Öffentlichkeit drängt und mit dieser in Kommunikation treten will, um sie von ihren Ansichten zu überzeugen. Das vorgeschobene Argument des "Safe Space" ist vielmehr der Versuch, durch unterschiedliche Lebenserfahrung der Beteiligten möglicherweise auftretende Konflikte innerhalb von FFF zu unterdrücken, was nicht gerade für ein demokratisches und herrschaftsfreies/gleichberechtigtes Miteinander spricht. Zudem führt eine solche Tabuisierung später nur zu viel größeren Konflikten.

Weiterhin ist die Behauptung Dreadlocks seien schwarze Widerstandssymbole eine extreme Verkürzung der historischen Realität (genauso wie das Swastika allein auf den Nationalsozialismus zu reduzieren). Richtig ist, dass Dreadlocks popkulturell ihren Ursprung in der Rastafari-Bewegung haben, diese aber in erster Linie eine religiöse Bewegung war, in der Frauen eher unterdrückt wurden. Die Rastas waren aber nicht die Erfinder der Dreadlocks, die bei ihnen wie eine Löwenmähne wirken sollte (bekanntermaßen sind es die Löwinnen, die jagen, und die Löwen als Paschas machen sich dann über die Beute her, genauso wie die Rasta bekifft die Trommeln schlagen und den Frauen die Arbeit überlassen - sorry für das Klischee), tatsächlich finden sich Dreadlocks bereits bei den Azteken, im Hinduismus, bei den australischen und nordamerikanischen Ureinwohnern, im Islam, im Buddhismus, bei den Massai, auf griechischen Statuen und Vasen, bei den alten Ägyptern, im Europa der Stein- und Bronzezeit, im Polen des 17. Jahrhunderts, am dänischen Königshof., bei den Mau-Mau-Kriegern gegen die deutsche Kolonialarmee. Dreadlocks gab es weltweit zu verschiedenen Zeiten in zahlreichen Kulturen in unterschiedlicher Bedeutung, sie auf ein Symbol schwarzer Widerstandskultur (ich kenne kein einziges Bild aus der afro-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung der 1960er Jahre, wo jemand Dreadlocks trägt) zu verkürzen ist eine ideologische Verfälschung einer langen kulturellen Tradition, weshalb kein Fall "kultureller Aneignung" vorliegen kann, weil Dreadlocks menschliches Allgemeingut sind.

Überhaupt, was ist überhaupt "kulturelle Aneignung"? Dazu sind 2 Ebenen zu unterscheiden, zum einen der Vorgang an sich, zum anderen die Frage nach der moralischen Rechtfertigung. "Kulturelle Aneignung" an sich bedeutet nichts anderes als Übernahme eines Bestandteils einer Kultur in eine andere Kultur bei ihrer gleichzeitigen Veränderung/Anpassung, ein Vorgang den es zu allen Zeiten gegeben hat, das Lernen von seinen Mitmenschen wie die Übernahme technischer Errungenschaften und ihre Weiterentwicklung, von künstlerischen Techniken zum Zweck der Formulierung eigener Ideen, von Gesellschafts- und Herrschaftsformen unter Anpassung an die lokalen Gegebenheiten. Mein Lieblingsbeispiel in diesem Zusammenhang sind die Sapeurs, die Kongo-Dandies von Brazzaville und Kinshasa, Männer die die Eleganz europäischer Dandies im Kontrast zu ihrer zentralafrikanischen Umgebung pflegen. Die Kultur der Sapeurs ist eindeutig eine Übernahme europäischer Traditionen im kompletten Widerspruch zu ihrer zentralafrikanischen Umgebung (die im übrigen auch nur noch geringe Bezüge zu Traditionen aus der Vorkolonialzeit hat) bei gleichzeitiger Anpassung an die eigenen Bedürfnisse. Dieses Beispiel eignet sich auch gut, um die zweite Ebene der "kulturellen Aneignung" zu beschreiben, nämlich die Frage wann dieser Vorgang moralisch gerechtfertigt ist oder nicht. Kulturelle Aneignung wird immer dann als moralisch verwerflich angesehen, wenn sich in der Übernahme ein Herrschaftsgefälle zeigt. Bei woken Menschen wird kulturelle Aneignung nur in Bezug auf kulturelle Ausdrucksformen wie Kunst, Musik, Tanz, religiöse Symbole, Sozialverhalten, Sprache usw. betrachtet, geht aber meines Erachtens darüber hinaus. Wo zeigt sich deutlicher ein Machtgefälle, wenn Pharmakonzerne das medizinische Wissen von indigenen Völkern sich patentieren lassen und damit Geld verdienen, die "Entdecker" damit quasi enteignen? Tatsächlich geht es immer um einen wirtschaftlichen Vorteil, der durch die kulturelle Aneignung erzielt werden soll, andernfalls fehlt doch eine Motivation sich überhaupt mit einer fremden Kultur jenseits der Wissenschaft zu beschäftigen. Irgendwie wollen sich das aber viele woke Kritiker nicht eingestehen, weshalb sie gerne davon sprechen, durch kulturelle Aneignung würden diskriminierende Stereotype erzeugt, Bedeutungen verfälscht oder negiert und damit die Eigenständigkeit der vermarkteten Kultur vernichtet. Das Problem bei dieser Betrachtungsweise ist, dass sie ideale Anschlussmöglichkeiten für die rechtsradikale Ideologie bietet, denn was ist die Klage über kulturelle Aneignung nichts anderes als die rechtsradikale Klage von der Vermischung der Kulturen, die zum Untergang der jeweiligen eigen Volkskultur führt? Und dieser Vorwurf, rechtsradikales Denken in die linken Diskurse einzuschleusen, richtet sich nicht nur an die woke weiße Jugend, sondern auch an die BiPoC-Vertreter*innen, die sich der gleichen Argumentation bedienen.

Was bedeute das jetzt für den Ausschluss von RONJA MALTZAHN & THE BLUEBIRD ORCHESTRA von der Fridays For Future-Demo? Der Ausschluss basiert auf ideologischer Verblendung in Verkennung der tatsächlichen Kulturgeschichte von Dreadlocks, die eben kein kulturelles Artefakt der afro-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung der 1960er Jahre sind, sowie dem falschen Glauben an abgrenzbare kulturelle Unterschiede wie sie auch im Rechtsradikalismus propagiert wird. Zudem kann Ronja Maltzahn keinerlei ökonomischer Gewinn gegenüber irgendwem durch das Tragen von Dreadlocks nachgewiesen werden (das tragen von Dreadlocks ist heute kein subkulturelles Alleinstellungsmerkmal mehr), noch dass irgendeine andere Kultur dadurch geschädigt wird. Denn noch nicht einmal in den betroffenen Kulturen sind sich die Menschen darüber einig, ob die jeweilige kulturelle Aneignung sie beleidigt oder Stolz auf ihre Kultur macht und die Übernahme als Respektbezeugung durch fremde Kulturen zu verstehen sei.

13.3.22

Frau x 3

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7.3.22

Punk ist tot, lang lebe Punkrock

Gleich zu Anfang möchte ich etwas klarstellen und zwar ist das, was viele Menschen an irgendwie philosophische/soziologischen Betrachtungen schreiben in der Regel ein Versuch, das eigene Verhalten vor sich oder ihre Mitmenschen zu rechtfertigen. Das bedeutet, nur diejenigen Betrachtungen, die Selbstkritik enthalten oder irgendein Unbehagen mit der eigenen Position artikulieren, sind interessant und für das eigene Selbstbild weiterführend. Unter dieser Prämisse ist der Artikel "Ausländer nehmen den Deutschen keine Arbeitsplätze weg - weiße Cis-Männer nehmen Frauen nicht die Bühne weg" (ZAP #157) ein kompletter Ausfall.

Aber zuerst zum Titel dieses Textes: schon vor längerer Zeit habe ich für mich definiert, dass Punk eine Einstellung zum Leben/zur Gesellschaft ist, die mensch in jedem gesellschaftlichen Feld finden kann, also Musik, Literatur, Politik, was weiß ich. Punkrock ist dagegen eine kulturelle Nische mit eigenen Regeln wie andere Jugend-/Sub-/Rentnerkulturen. Doch warum ist das eine tot und das andere lebt? Weil Punk in der BRD nicht mehr funktioniert.

Punk ist eine kulturelle Erscheinung in einer stark von sozialen/moralischen Regeln bestimmten Gesellschaft, wie es die BRD bis Ende der 1970er Jahre war, ähnlich der englischen Klassengesellschaft in diesem Zeitraum. Meine Beobachtung ist weiterhin, dass Punk nicht gleichzeitig auf dem gesamten Erdball Wirkung gezeigt hat, sondern in unterschiedlichen Gegenden zu unterschiedlichen Zeitpunkten aufblühte. Dies hat nichts damit zu tun, dass die Erzählung Punk unterschiedlich lange Wege genommen hat um in einzelnen Gesellschaften anzukommen, sondern dass Punk nur fruchtbar werden kann, wenn bestimmte soziale/gesellschaftliche Bedingungen eintreten. Die Wüste blüht nur, wenn Regen fällt, bis dahin schlafen die Samenkörner im Boden, siehe das Video von Sonic Youth "1991 - The Year Punk Broke".

Punk wird bei seinem erstmaligen Auftreten von großen Teilen der jeweiligen Gesellschaft nicht verstanden. Dies liegt daran, dass Punk im Wesentlichen "dagegen" ist, gegen die vorherrschenden gesellschaftlichen/moralischen Vorstellungen der Mehrheit. Punk nimmt dazu Positionen ein, die von der Mehrheit nicht verstanden werden, weil es diese Positionen in der versteinerten Gesellschaftsordnung bis dahin nicht gegeben hat. Das gleiche gilt für die vielzitierten Vorläufer wie DaDa und Situationismus. Aus dieser Provokation zieht Punk seine Kraft und seine Existenzberechtigung. Das legt es nahe, auch andere gesellschaftliche Provokationen, die im wesentlichen aus einem "dagegen" gegenüber den gesellschaftlichen Mehrheiten bestehen, gefühlt als Punk zu verstehen.

Doch so einfach ist es in Bezug auf die BRD heute nicht mehr. Seit den 1980er Jahren haben sich die westlichen Gesellschaften geöffnet, wir leben in einer Zeit des "anything goes", was für viele gesellschaftliche Minderheiten die Möglichkeit zur gesellschaftlichen Akzeptanz eröffnet hat. Es sind viele neue gesellschaftliche Einstellungen ge-/erfunden worden. Und das ist das Problem um nicht zu sagen das Todesurteil für Punk. Während es früher hieß "was ist das denn?" heißt es heute "ist das nicht?". Wer heute gegen etwas ist findet sich in der Regel plötzlich von Mitmenschen umgeben die die gleiche Position aus einem "dafür" entwickelt haben. Punk will aber nicht "dafür" sein. Wenn mensch jedoch mit seinem "dagegen" immer bei einer bereits existierenden "dafür"-Position landet (die es früher nicht gab, aber jetzt möglich ist), dann funktioniert "Punk sein" eben nicht mehr, weil wo ist die Provokation wenn mensch damit nur andere in ihrem Glauben bestätigt? 1977 konnte Sid Vicious noch mit einem Hakenkreuz-T-Shirt herumlaufen, weil es keine gesellschaftliche Gruppe gab, die seinem Aussehen und Auftreten entsprochen hätte. (Neo-)Nazis sahen damals ganz anders aus, sein Aussehen und Verhalten fand ebenso wie bei der spießigen Mehrheit keine Zustimmung bei ihnen. Heute wäre das anders.

Weil das "dagegen"-sein so heute nicht mehr funktioniert ist Punk zumindest in den westlichen Gesellschaften tot. Ich persönlich habe mich schon vor Jahren davon verabschiedet danach zu fragen wogegen jemand ist, weil wie gesagt mensch sich dann in Allianzen wiederfindet die mensch nie eingehen wollte (und wenn doch dann war diese Person nie Punk). Wie sagte damals der bekannte Neonazi-Führer Michael Kühnen: "Ich bin gegen Atomkraft weil es das deutsche Erbgut schädigt". Ich frage lieber danach, "wofür" die Menschen sind, auch weil die meisten Menschen das gar nicht beantworten können. Gegen etwas sein ist so einfach, aber was bitte sollte nach "Merkel muß weg" an ihrer Stelle kommen?! Hat übrigens auch kein*e Journalist*in gefragt.

Für etwas zu sein ist also definitiv kein Punk. Die heutige Punkszene funktioniert aber nach Regeln, die festlegen wann etwas Punk ist und wann nicht. Sicher sind diese Regeln etwas vage aber nichts desto trotz existieren sie, sonst wäre ja keine Abgrenzung zu Nazis/HipHop/Metal/Schlager möglich. Ich verteufle diese Regeln nicht, einige sind für meinen Geschmack zu eng, andere zu weit, aber ich akzeptiere diese ungeschriebenen Regeln, denn sonst könnte die Punkszene als eigenständige Subkultur nicht existieren. Ich nenne das aber nicht mehr Punk, sondern Punkrock. Dieser Punkrock existiert im übrigen schon sehr sehr lange, für mich ungefähr seit Anfang der 1980er Jahre, als die Musik und das Verhalten von Punk von einer jungen linksradikalen Szene entdeckt und adoptiert wurde, was von Teilen das damaligen Szene wohl mehr als nur akzeptiert wurde, auch weil damit Hilfe gegen die ständige Drangsalierung durch Polizei, sonstige Ordnungskräfte und andere Spießbürger*innen kam. Andere Teile der Szene fanden das nicht so toll und wurden zu Nazi-Skins. Und die ganzen Künstler*innen/Avantgardist*innen, die sich durch den ursprünglichen Punk-Impuls in ihrer Kreativität bestärkt fühlten (Berliner Krankheit, Düsseldorfer Szene) fanden sich plötzlich aus Punk ausgeschlossen, weil ihr Verhalten den neuen "Punkrock-Regeln" widersprach. Einer der klassischen Wendepunkte war da das "Geräusche für die 80er Jahre"-Festival in Hamburg. Oder auch die "Metal Box" von Public Image Limited, eigentlich auch schon die vorherige "First Issue"-LP. Viele Bands gingen unter, weil sie sich im Gegensatz zu ihrem Publikum musikalisch weiterentwickelten, aber nicht immer ein neues fanden.

Wie gesagt, Punkrock braucht zu seiner Existenz die Einhaltung bestimmter Regeln, viele davon stammen aus der seit langem assoziierten linksradikalen Tradition, die Konflikte in der Szene zeugen aber davon, dass linke Gesellschaftsvorstellungen und Punkrock Schnittmengen haben aber nicht identisch sind. Zudem wird auch nie thematisiert, dass Punk seine Wurzeln im Individualismus hat, daher seine Affinität zum Anarchismus, weshalb er auch nicht in Gegnerschaft zum Kapitalismus tritt wie der aus der Tradition des Kommunismus kommende Linksradikalismus. Tatsächlich ist jede*r Musiker*in, Fanzinemacher*in, Plattenproduzent*in - um mal die wichtigsten Kulturproduzenten von Punkrock zu benennen - ihre/seine eigene Unternehmer*in, nicht angestellt und ausgebeutet, sondern selbständig und sich selbst ausbeutend. (Dass sie sich trotzdem antikapitalistisch geben ist ein Nebenwiderspruch, den sie genauso aushalten wie die Nazis damals von schaffenden (= deutsche Handwerker und Bauern) und raffenden (= jüdische Kaufleute) Kapital unterschieden, das ist jetzt eine sehr böse Analogie, aber Jeff Bezos und dein lokales DIY-Label sind beide Teil der allumfassenden Marktwirtschaft, no doubt about it.)

Aber ich wollte mich eigentlich zu Sven Bock (der übrigens einen extrem berührenden irgendwie Nachruf auf seinen Stiefvater im ZAP #159 geschrieben hat: "Ich will nicht werden was mein Alter ist: Hartmut") und dem oben genannten Artikel äußern. Zum einen ist bereits der Titel "Ausländer nehmen den Deutschen keine Arbeitsplätze weg - weiße Cis-Männer nehmen Frauen nicht die Bühne weg" ein gedanklicher Kurzschluss, weil die Ausländer ja zumeist nur die Arbeitsplätze bekamen/bekommen, für die sich Deutsche zu fein waren/sind sie auszufüllen (etwas was die Briten gerade durch die Folgen des Brexit brutal selbst erfahren). Weiße Cis-Männer dagegen halten die sogenannte gläserne Decke gegen FLINTA*s weiterhin aufrecht, und wenn einer ausfällt werden weiterhin Geschlechtsgenossen bevorzugt (was aus einer animalischen Perspektive durchaus schlüssig ist, weil das Vertrauen zu Artgenossen wächst mit der Ähnlichkeit, aber wo wäre dann noch der Unterschied zwischen Mensch und Tier?). Und da sind wir bei den sogenannten Privilegien. Es reicht nicht aus zu sagen, man sei als Cis-Mann nicht privilegiert oder nehme solche Privilegien nicht wahr, vielmehr muss mann aktiv dagegen ankämpfen, solange das Umfeld einem weiterhin diese Privilegien zuschreibt, solange die Umgebung wissentlich übersieht, dass der Kaiser keine Kleider anhat/anhaben will. Hat nicht gerade der Präsident des DAAD seine Bewerbung als Präsident der HU Berlin zurückgezogen, weil er nicht Teil eines rein männlichen Gremiums sein wollte? Wer diese Situation nicht reflektiert suhlt sich weiterhin in seiner privilegierten Männlichkeit. Trotzdem verlange ich nicht sich FLINTA*s zu unterwerfen, was ich verlange ist die Situation zu reflektieren und daraus Konsequenzen zu ziehen, egal welche. Mag dabei der eine oder andere zu dem Schluss kommen, dass FLINTA*s zu Recht im Punkrock nichts zu suchen haben, aber dafür müsste er/sie/es erst mal ein stichhaltiges Argument finden (Gene, Körperbau, Sozialisation, Frauen bestehen aus mehr Wasser als Männer und sind deshalb geschwätziger, es war doch Eva, die Adam zu Essen des Apfels verführt hat und eigentlich sind alle Frauen rachsüchtig wie Adams erste Ehefrau Lilith). Leider geht Swen Bock diesen Weg nicht. Anstatt irgendeinen Beleg zur Rechtfertigung der aktuellen Lage im Punkrock zu suchen wirft er mit Beleidigungen und Unterstellungen um sich. Wieso muss ich wenn ich eine Diskriminierung akzeptiere auch alle anderen akzeptieren? Verlangt das Anerkennen von Black Lives Matters gleichzeitig die Unterstützung von BDS? Wieso ist das Anerkennen von unterschiedlichen Gruppenzugehörigkeiten "positiver Rassismus"? Das Akzeptieren von Unterschieden heißt nicht, dass die Unterschiede zu unterschiedlichen Rechten und Pflichten führen. Und die Behauptung Privilegien seien "ein Resultat menschlichen Handelns in einem Faktorengefüge, das zu komplex ist, um es zu modellieren" liegt noch unter dem Niveau von "was kann ich als Einzelner denn gegen den Klimawandel ausrichten, da habe ich doch gar keinen Einfluss drauf, das sollen mal die anderen machen". Von welchem "menschlichen Handeln" spricht Bock denn hier? Ist er zu faul/doof zu bemerken, dass er mit seinem eigenen Handeln sehr wohl auf Privilegien verzichten kann, bzw. auf seine Umgebung Einfluss nehmen kann indem er deren Handeln, das ihn privilegiert, zurückweist? Das sind alles Gedanken, die sich Bock gar nicht machen will, mit seinen Ausfällen will er sich einfach die ganze Diskussion vom Halse halten und einfach sein bisheriges (privilegiertes) Leben weiterführen. Gleichzeitig hat er nicht begriffen, dass seine Dagegen-Haltung, insbesondere seine Argumente ihn in die Nähe von CDU, AfD und Verteidigern des Patriarchats rücken (siehe meine anfängliche Beobachtung, dass Meinungen meistens nur zur Rechtfertigung eigenen (Nicht-)Handelns dienen). Wie oben dargestellt funktioniert die Methode Punk im Jahre 2022 in der BRD nicht mehr. Wer aber die Regeln des Punkrock nicht anerkennt schließt sich selbst aus der Szene aus. Ob ich mich selbst noch als Teil von Punkrock empfinde steht auf einem anderen Blatt. Aber das nimmt mir nicht das Recht die Szene zu beobachten und mir meine Meinung zu bilden, auch wenn diese nicht wichtiger ist als die Meinung anderer Menschen (es sei denn es sich Meinungen ohne jeglichen argumentativen Unterbau).

Exkurs:
Geschlechtergerechtigkeit im Punkrock hat sich verschiedene Aspekte. Zuerst ist zu fragen, was denn der Anteil von Frauen (und anderen Minderheiten) im Punkrock ist. Für den Bundestag ist die Frage ja einfach zu beantworten, da Frauen die Hälfte der bundesdeutschen Bevölkerung stellen (tatsächlich sind es 50,7 %) sollte auch die Hälfte der Abgeordneten weiblich sein. Dem könnte entgegenstehen, dass das Geschlechterverhältnis in den politischen Parteien eher männerdominiert ist, aber es ist ja Aufgabe des Bundestags Entscheidungen für die gesamte Bevölkerung zu treffen und nicht die Parteien zu repräsentieren, insofern haben dann Frauen in den politischen Parteien (nicht allen und teilweise auch nur theoretisch) bessere Karrierechancen, was dann einige Männer als Verstoß gegen ihre angenommenen Privilegien ansehen. Aber im Punkrock gibt es keinen Bundestag, wie also sollen die Geschlechter im Punkrock repräsentativ abgebildet werden? Und ist bildet sich die Repräsentanz im Querschnitt ab oder aufgeteilt nach Aufgabenbereichen (teile und herrsche)? Aber wie ergeben sich bestimmte Abweichungen in den einzelnen Aufgabenbereichen (Bands, Publikum, Infrastruktur wie Organisation, Verpflegung, Öffentlichkeitsarbeit etc.), sind sie den jeweiligen Interessen der Geschlechter geschuldet oder Ergebnis subtiler patriarchaler Mechanismen? Oder gibt es grundsätzlich unterschiedliche Bedürfnisse von Männern und Frauen/FLINTA*s, die die Idee von Punkrock für Frauen/FLINTA*s weniger attraktiv machen (wobei dabei zu berücksichtigen wäre diese solche unterschiedlichen "Bedürfnisse" durchaus gesellschaftlich geprägt sein können)?

Andererseits gibt es einzelne Gruppen, die von ihrem Arbeitsfeld mehr öffentlichkeitswirksame Macht haben als andere wie z.B. Fanzinemacher*innen. Und da diese Journalist*innen darin frei sind worüber sie berichten sind sie nicht verpflichtet irgendeine Geschlechterrepräsentanz zu erfüllen, insbesondere da diese publizistische Möglichkeit wegen des einfachen Zugangs zu den Produktionsmitteln auch allen anderen Mitgliedern der Punkrockszene zur Verfügung stehen. Daher wenn das Plastic Bomb nur noch über FLINTA*s schreiben möchte und das Zap über Cis-Männer, wer hat das Recht die Herausgeber*innen dafür zu kritisieren, Niemand ist verpflichtet diese Magazine zu kaufen, jeder kann sein eigenes Fanzine machen. Der Nachteil ist, dass wer sich in die Öffentlichkeit begibt muss damit rechnen kritisiert zu werden und hat kein Rechts das zu untersagen (solange das nicht strafrechtlich relevant ist, aber das ist keine Zensur, weil Zensur vor der Veröffentlichung wirkt, Strafe aber erst hinterher).. Und zugegeben, Plastic Bomb und Zap haben sich über Jahrzehnte ein gewisses Standing erarbeitet, gegen das ein*e Anfänger*in erst mal nicht ankommt. Die gleiche Meinungsmacht zu erlangen verlangt eine lange Aufbauphase.

Aber möglicherweise liegt das Problem ganz woanders, dass hier individuelle Erfahrungen verallgemeinert werden, sowohl bei den Frauen als auch bei den Männern. Wobei bei den Männern das zusätzliche Problem auftritt, dass sie, wenn sie kein Gefühl für sexistisches Verhalten haben es auch nicht beobachten, weshalb sie mit voller Überzeugung behauptet können dass es so was nicht gibt und sie trotzdem falsch liegen, wenn denn die Frauen anfangen ihre Erfahrungen zusammenzutragen und bestimmte Mechanismen dahinter zu erkennen. Also liebe Cis-Männer, statt abstreiten zuhören und selbst hinschauen.

1.3.22

Getrennte Wege

Damit trennen sich jetzt unsere Wege. Ich habe nichts gegen Frau Wagenknecht. Aber ich weiß, was du damit sagen willst.
Ich möchte nichts mehr mit Menschen zu tun haben, die sich über Leute (und damit auch über mich) lustig machen, die sich nicht mit einem Impfstoff in der Entwicklungsphase (Phase II/III) freiwillig impfen lassen (du bist entweder nicht informiert oder verbohrt). Und die diesen auch noch das demokratischste Mittel überhaupt absprechen. Das Demonstrieren (wurde verboten, daher Spazieren). Und auch die Nötigung zur Impfung durch Testpflicht oder Betretungsverbote befürwortest du ganz offensichtlich. Ohne noch erkennbaren medizinischen Nutzen (seit Dez. 24 Geimpfte infiziert in meinem Umfeld, wir vier nichts, trotz mehrmaliger Kontakte). Und komm mir nicht mit Krankenhaus. In Dänemark ab 5 Jahre: 71% der Hospitalisierten geboostert bei Impfquote von 64% geboostert (Quelle dahboard SSI).
Du bist genau der über 50jährige, privilegierte weiße Wessi, der entgegen aller bisherigen Kritik an den Verhältnissen den 180grad-Schwenk gemacht hat. Der das System immer für demokratisch gehalten hat und in dem Moment, wo es offen zeigt, dass es das nicht, sich plötzlich unterordnet. Und dazu im Wissenschaftsbereich tätig und mit vollem Vertrauen in die Wissenschaft. Vertrauen m. E. aus Überheblichkeit. Bist ja selbst gebildet, kannst ja nicht andere Gebildete in Frage stellen.
Das ist jetzt die besagte Spaltung. Hatte eine Weile überlegt nach der Grafik, ob ich das mache. Nun musste ich aber.
Ich komme auch bei deiner Einseitigkeit der Ukraine-Beurteilung nicht mit. Es gibt kein Gut und Böse. Es gibt nur 2xBöse (oder mehr) und dazwischen die Bevölkerung, die das ausbaden und nicht hinterfragen und sich verheizen lassen soll.
Übrigens sind die europäischen Staatsanwaltschaften dabei, 300 Menschen wegen Menschenhandel anzuklagen (DLF). Menschen, die Flüchtlinge aus dem Meer gerettet haben. Was gedenkst du, dagegen zu tun? Also bitte noch mal schauen, wer alles Böse ist, bevor du dir für alles einen Sündenbock raus suchst. Hat alles super verfangen bei dir. Ich wundere mich überhaupt nicht mehr, wie das damals funktioniert hat, sowohl bei Hitler, als auch in der DDR. Bist ja nicht der Einzige in meiner Umgebung, der sich um 180 Grad gedreht hat.
Das sind vor allem Grünen-Wähler, die auch immer noch nicht kapiert haben, dass die notwendigen Entscheidungen in Sachen Klima und Umwelt schön obsolet geworden sind und den Mächtigen Zeit geben, die Strukturen wenn dann zu ihren Gunsten umzubauen.