...zufällige Gedanken zu verschiedenen Themen, die nicht nur mit Hannover, Musik, Punk, Politik zu tun haben ...
12.3.12
Hochschulbildung in Kalifornien
Am Mittwoch, den 19.10.2011, gab es einen Vortrag von Prof. Michael W. Kirst, Emeritus Professor of Education and Business Administration an der Stanford University in Kalifornien mit dem schönen Titel "Preparing institutions of higher education for diverse student bodies", zu Deutsch etwa "Hochschulen vorbereiten für eine bunte Studentenschar". Kirst ist zudem auch Präsident des California State Board of Education und damit Kenner der Hochschullandschaft in den USA. Sein Vortrag half, einige Missverständnisse bezüglich des amerikanischen Bildungssystems auszuräumen. Der Untertitel des Vortrags "The Role of Broad Access Postsecondary Education" deutet schon an, was ein gravierender Unterschied des amerikanischen, insbesondere des kalifornischen Bildungssystems - in den anderen Bundesstaaten gibt es unterschiedliche Bildungssysteme, Florida scheint Kalifornien ähnlich zu sein - im Vergleich zum deutschen ist: ein Abitur ist für ein Hochschulstudium nicht erforderlich, im Prinzip kann jeder an ein College gehen. Allerdings ist die Hochschullandschaft ähnlich wie in Deutschland in Universitäten und Fachhochschulen aufgeteilt. An der Spitze steht die University of California, zu der etwa die 15% besten High-School-Absolventen Zugang haben. Die nächsten 35% haben Zugang zu den State Universitys und an den Community Colleges - die im übrigen auch Kurse anbieten, die bei uns unter Berufsausbildung laufen (wenn man das weiß kann man alle internationalen Vergleiche, wo Deutschland mit einem geringen Anteil von Hochschulabsolventen schlecht abschneidet, in die Tonne treten, weil da Äpfel mit Birnen verglichen werden) - kann jeder studieren. Für das Studium an der University of California ist das Bestehen entweder eines ACT- oder eines SAT-Tests erforderlich, die von eigenständigen Organisationen angeboten und durchgeführt werden. Die State Universitys begnügen sich offenbar auch mit anderen oder garkeinen Qualifikationen und an den Community Colleges kann sich im Prinzip jeder einschreiben. Das hat unter anderem zu Folge, dass dort zu 60% Kurse angeboten werden, die Wissen vermitteln, das eigentlich bereits zum Lehrplan der High-Schools gehört. Denn viele Highschool-Absolventen denken, wenn sie den Schulabschluss nur irgendwie geschafft hätten wären sie schon in der Lage zu studieren. Und so schaffen an den Community Colleges nur 24% der Studierenden einen Abschluss im Gegensatz zu 80% an der University of California.
Derzeit streben mehr als 80% der Highschool-Schüler ein Studium an, aber die Abbruchquoten sind hoch und der Anteil der Bachelor-Absolventen an der Altersgruppe der 25- bis 40jährigen steigt nur gering. Zudem interessiert sich die Öffentlichkeit nur für das Geschehen an den Universitäten, dabei liegen die Probleme bei den Hochschulen ohne Zugangsvoraussetzungen. Ein Grund dafür sind die unterschiedlichen Vorstellungen der Schulen und der Hochschulen, welche Fähigkeiten und Kenntnisse Voraussetzungen für ein erfolgreiches Studium sind. So wird an den Schulen das Lesen wissenschaftlicher Texte zu Gunsten von englischer und amerikanischer Literatur vernachlässigt. Ebenso begnügen sich die Schulen mit dem Pauken von Fakten anstatt selbständiges (wissenschaftliches) Erarbeiten von Wissen zu fördern (hier ein Wort zum berüchtigten PISA-Test: dass dort chinesische Paukschulen besser als deutsche Schüler abschneiden ist ebenfalls ein Vergleich von Äpfeln und Birnen, wenn man weiß, dass chinesische Studenten wegen der fehlenden Fähigkeit zum eigenständigen Arbeiten an deutsche Universitäten - unabhängig von der deutschen Sprache - viel öfter scheitern als deutsche Studenten) . Viele Schüler glauben auch, dass ein guter Abschluss in einfachen (Neben-)Fächern reicht und die 12. Klasse eigentlich egal sei, oder dass die Noten in den ersten beiden Jahren an der High-School egal sind, dass sie am College jeden beliebigen Kurs besuchen können und sich um Studienfinanzierung erst kümmern müssen, wenn sie wissen, wo sie studieren wollen.
Die Diskussion, dass die Schulen die Studenten nicht ausreichend auf das Studium vorbereiten, gibt es auch in Deutschland, auch hier sind die Schulen und die Hochschulen jeweils zwei verschiedenen Länderministerien (Kultus- gegen Wissenschaftsministerien) zugeordnet, auch hier kommt keiner auf die Idee, die Schulen für mangelhafte Hochschulreife zur Verantwortung zu ziehen - obwohl hier ja das Problem wegen des notwendigen (Fach-)Abiturs (die aktuelle Diskussion zu neuartigen Hochschulzugangsberechtigungen wie Meisterbrief usw. lassen wir mal außen vor) deutlich geringer ist, wie gesagt kann an den Community Colleges im Prinzip jeder nach dem Abschluss der 12. Schulklasse studieren - und es gibt keine staatlichen Anstrengungen, Schulen und Hochschulen an einen Tisch zu bringen, um sich über die Studienvoraussetzungen auszutauschen und zu einigen (statt dessen gibt es das Einheitsabitur und die Hochschulen dürfen eigene Eignungstests machen).
In Kalifornien will die Politik jetzt Schüler, Eltern und Lehrer mit genauen Informationen, was eigentlich nötig ist, um erfolgreich zu studieren, versorgen, dass nämlich auch das Lesen und Verstehen von wissenschaftlichen Texten erforderlich ist (dies ist eine besonders große Barriere für Schüler, deren Muttersprache nicht Englisch ist, was in Kalifornien für etwa 40% aller Schüler gilt). Weiterhin sollen die State Universitys und die Community Colleges mehr in das Blickfeld der Öffentlichkeit gebracht werden und die Finanzierung der Hochschulen sollen vermehrt statt von der bloßen Studentenzahl von deren Erfolgen abhängig gemacht werden (ähnliches gibt es inzwischen auch in der Deutschen Hochschulfinanzierung). Auch sollen die Stipendienprogramme für die Studenten mehr Belohnungs- und Bestrafungselemente bekommen, entsprechende Daten sollen erhoben werden und es soll auch entsprechende finanzielle Folgen für die Hochschulen geben. Schließlich soll es neue Programme geben, die den Übergang von Schule zu Universität und Berufsausbildung verbessern. Interessanterweise gibt es an den High-Schools in Kalifornien eine Art von Begabtenförderung, wo leistungsstarke Schüler Kurse auf Universitätsniveau besuchen können und bei deren erfolgreichen Abschluss credit points erhalten (gibt es in Folge der Bologna-Reform auch an deutschen Hochschulen), die sie sich später als bereits erbrachte Leistungen im Studium anrechnen lassen können.
Dass das Studium in den USA nicht kostenlos ist brauche ich an dieser Stelle nicht zu erwähnen (Niedersachsen wird bald das einzige Bundesland sein, wo hier noch Studiengebühren erhoben werden). Dabei sind die Gebühren zwischen der University of California, den State Universitys und den Community Colleges erheblich, was unter anderem zu Folge hat, dass viele ausländische Studenten aus Kostengründen ihr Studium in den USA an den Community Colleges beginnen, um dann später an die teureren, aber prestigeträchtigeren Universitäten zu wechseln. Dieser Wechsel in Kalifornien möglich, nicht aber in einigen anderen Bundesstaaten.
Warum ich das alles erzähle? Weil High-School und Colleges ja einen wichtigen Hintergrund für die amerikanische Pop- und Rockkultur bilden (genauso wie die Art-Schools in England, die ebenfalls in keinster Weise mit deutschen Kunst- und Musikhochschulen gleichgesetzt werden können). Wer eine falsche Vorstellung vom amerikanischen Bildungssystem hat wird daher auch vieles in der amerikanischen Pop- und Rockkultur missverstehen. Thank you and good night.
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