Um ehrlich zu sein hat mich der Erfolg der Piraten bei der Wahl am 18.9. in Berlin etwas überrascht. Ich habe mir daraufhin mal die Kommunalwahlergebnisse eine Woche vorher (11.9.) in Hannover genauer angesehen, insbesondere die der Bezirksräte, ganz einfach, weil diese unterste kommunale Ebene eigentlich vom Image der Piraten am Weitesten entfernt ist. Hier geht es nicht um Internet und Überwachung, sondern um Spielplätze, Ampeln und Bauplanung, Themen, die mensch (fuck post-gender) eigentlich bei den traditionellen Parteien lokal am besten aufgehoben vermutet, weil die eben schon eine lange kommunale Erfahrung und einigermaßen breite lokale Mitgliederbasis haben und weniger im virtuellen Raum der Bundes- und Europapolitik leben.
Hannover hat 13 Stadtbezirksräte. Erwartungsgemäß sind in allen SPD, CDU und Grüne mehrfach vertreten, die FDP stellt 8 Einzelkämpfer. Es gibt 13 Bezirksrats-Mitglieder von Die Linke, die, wenn man die soziale Struktur von Hannover kennt, nicht überraschend nicht im Osten Hannovers (Misburg-Anderten und Kirchrode-Bemerode-Wülferode) vertreten ist Stadt (Nachtrag: aus der Veröffentlichung des Gemeindewahlausschusses vom 28.9. entnehme ich, dass die Linke in diesen Stadtbezirken gar keine Kandidaten aufgestellt hatte), dafür gleich dreimal in Linden-Limmer. Zusätzlich gibt es dort ein Bezirksrat-Mitglied des BSG (Bündnis für soziale Gerechtigkeit), und ein Mitglied der ASH (Aktion Soziales Hannover) sitzt im Bezirksrat Herrenhausen-Stöcken (2006 kamen alle linken Gruppierungen zusammen auf 13 Bezirksrats-Mitglieder). An anderen Ende des politischen Spektrums fällt auf, dass es Die Hannoveraner in keinen Bezirksrat geschafft haben, die WfH (Wir für Hannover) stellt dagegen 4 Bezirksrats-Mitglieder in Misburg-Anderten, Kirchrode-Bemerode-Wülferode, Döhren-Wülfel und Ahlem-Badenstedt-Davenstedt (2006 waren es noch 3 Mandatsträger) (Nachtrag: aus der Veröffentlichung des Gemeindewahlausschusses vom 28.9. entnehme ich, dass die WfH auch nur in diesen Stadtbezirken Kandidaten aufgestellt hatte und dass Die Hannoveraner gar keine Kandidaten in den Stadtbezirken aufgestellt hatten). Die WfH hat wieder einen Sitz im Rat, dazu kommen jetzt 2 Sitze der Hannoveraner.
Zu dem Erfolg der Piratenpartei stellt der Wahlbericht der agis (Arbeitsgruppe Interdisziplinäre Sozialstrukturforschung der Leibniz Universität Hannover) fest: Die Piraten-Partei hat insgesamt 3,5% der Wählerstimmen erzielt und hat ihre relativen Hochburgen in Gebieten mit einem hohen Anteil an EU-Ausländern (6,2%), vielen Angehörigen des Milieus der "Hedonisten" (junge, moderne Trendsetter) (6,1% - dies ist auch eine Hochburg der Linken), vielen Personen im Alter von 18 bis 25 Jahren (6,0%), sowie in Gebieten mit einem hohen Anteil von Altbauwohnungen (5,9% - dies ist auch eine Hochburg der Grünen). Zitat: "GRÜNE, LINKE und die PIRATEN-Partei konkurrieren alle um die jungen, modernen Trendsetter ("Hedonisten"). Die GRÜNEN haben daneben aber ihre Basis dauerhaft auf gehobene Milieus ("Postmaterielles Milieu") ausgedehnt. Die LINKEN oszillieren zwischen ehemaligen SPD-Wählern und den jungen Großstadtmilieus."
verfasst 19.9.2011/berichtigt 29.9.2011
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