18.12.11

Bezirksrat Südstadt-Bult Dezember 2011

Mittwoch, den 14.12, die zweite Sitzung des neuen Bezirksrats Südstadt-Bult in diesem Jahr: nach dem üblichen Formalitäten ging es in die Einwohner- und Einwohnerinnenfragestunde. Hierbei wurden Beschwerden über die zugeparkten Gehwegflächen in der nördlichen Hälfte des Stephansplatzes, sowie die kaum mehr sichtbaren Fahrradwegmarkierungen in der Sallstraße, die ebenfalls rechtswidrig abgestellte Personenkraftfahrzeuge anziehen, geäußert. Der im Publikum anwesende Kontaktbereichsbeamte verwies darauf, dass jeder Bürger das Recht habe wie Knöllchen-Horst Falschparker selbst festzustellen und die Angaben an das Ordnungsamt weiterzuleiten, dass dann von Amts wegen entsprechende Bußgeldbescheide erstelle. Wenn der Bürger solche Missstände wahrnehme solle er nicht immer nur nach der Polizei rufen, sondern selbst tätig werden. Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang an ein Bezirksratsmitglied, dass vor Jahren mal einem Falschparker auf der Sallstraße die Luft aus den Reifen gelassen hatte, was trotz anrückender Polizei folgenlos blieb. Ich werde jetzt nicht meine Hand dafür ins Feuer legen, dass das rechtlich korrekt war, aber es ist schon richtig, dass die meisten Deutschen einfach faul sind und lieber nach dem Staat rufen anstatt selbst aktiv zu werden. (Wirklich schizophren wird es aber, wenn dann gleichzeitig gejammert wird, dass man zuviel Steuern zahlen würde, also der Staat soll handeln, aber kosten darf es auch nichts.) Es folgten die Anhörungen zu Bebauungsplänen: dabei war zu erfahren, dass für die Staatskanzlei hinter dem Landesmuseum ein neues Gebäude geplant wird. Derzeit befinden sich die Mitarbeiterbüros verteilt in mehreren benachbarten Einfamilienhäusern, was nicht sonderlich repräsentativ aussieht, besonders nachdem es die Stadt nach vielen Jahren endlich geschafft hat, die kaputte Straße vor der Staatskanzlei zu erneuern. Geplant ist vermutlich ein schickes 2- bis 3-stöckiges Bürogebäude, trotzdem möchte die SPD, dass der Wohnstraßencharakter erhalten bleibt, schließlich sind wir Provinz. Die Lage der Staatskanzlei ist auch wirklich nicht sehr repräsentativ. Die FDP hat Angst, dass die Staatskanzlei keine Tiefgarage kriegt und die Grünen haben Angst um die Bäume auf dem Grundstück. Der Linke stimmte gegen die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit und die Piratin enthielt sich. Als nächsten kam der Rewe-Markt in der Spielhagenstraße gegenüber von Lidl an die Reihe. Es ging um einen Vertrag, den die Stadt mit dem Bauträger bezüglich des kompletten Neubaus des Supermarktes abschließen will. Hier hatte die FDP große Bedenken, dass die Lage des Marktes im Hinterhof es für große Lieferlastkraftwagen unmöglich macht zu rangieren, ohne mit den auf den Kundenparkplätzen abgestellten Autos in Konflikt zu geraten. SPD, CDU und FDP stimmten dem Vertrag zu, der Rest enthielt sich. Nächster Tagesordnungsabschnitt war die Beratung des Haushaltsplan der Stadt Hannover für 2012, der inzwischen auch als DVD erhältlich ist. Die Verwaltung informierte den Bezirksrat darüber, wie viele Mittel für seinen Etat vorgesehen sind, die Summe wurde jedoch während der Sitzung nicht genannt, auch nicht, viel davon laut einstimmigen Bezirksratsbeschluss der Bezirksbürgermeister selbst ausgeben darf. Es folgten 7 Änderungsanträge zur Haushaltssatzung 2012, die – um es gleich vorauszuschicken - zumeist reine Luftnummern waren. So wollte die CDU Geld für einen „Bewegungsparcour“, etwas, was die FDP schon vor 3 Jahren vorgeschlagen hatte. Allein, die CDU wusste nicht, was solch eine Anlage kostet, noch wo sie angelegt werden soll. Die SPD stimmte dagegen, die FDP enthielt sich. Als zweites forderte die CDU 100 neue Krippen- und 50 neue Hortplätze für den Stadtbezirk. Angesichts der Planung der Stadt, in 2012 für die ganze Stadt 300 neue Krippen- und Hortplätze zu schaffen, was der anwesende Ratsherr der Grünen allein dem beharrlichen Drängen von Rot-Grün zuschrieb, war der Antrag einfach nur größenwahnsinnig, was der CDU auch entsprechend um die Ohren geschlagen wurde mit dem Ergebnis des gleichen Abstimmungsverhältnisses wie oben. Doch auch die rot-grünen Änderungsanträge zu Haushalt waren nur bedingt besser. So wurde beantragt, das Rudolf-von-Bennigsen-Ufer wegen der dort gelegenen Waldorfschule teilweise einspurig umzubauen und zur Tempo-30-Zone zu erklären, was natürlich den Berufsverkehr erfreuen wird. In bestehende Hauptverkehrsachsen sollte man besser nur mit einem ausgereiften gesamtstädtischen Konzept eingreifen. Auch hier war kein Haushaltsbezug erkennbar. Die Piratin warf das Stichwort „Usability“ in die Runde, wonach Trampelpfade anzeigen, wo am besten Wege anzulegen wären. Dementsprechend sollte das offensichtlich verkehrswidrige Verhalten der Eltern beim Bringen und Abholen der Schulkinder durch entsprechende bauliche Maßnahmen legalisiert werden, eine Absicht, die außerhalb der Redeliste heftige Gegenreaktionen von grüner Seite hervorrief. Der Antrag wurde bei Gegenstimmen von CDU und Piratin und Enthaltung der FDP angenommen. Die nächsten beiden Anträge gingen um Errichtung von Tempo 30-Zonen vor Schulen und Kindergärten sowie in Krausen- und Lutherstraße. Dem einen Antrag stimmten alle zu, bei dem anderen enthielten sich FDP, Piratin und ich glaube einer von der CDU. Es folgte ein echter Haushaltsänderungsantrag und zwar wurde bei Nein-Stimmen der CDU beschlossen, das der Betrag für das Sonderprogramm zur ökologischen Sanierung von Spielplätzen und Schulhöfen für 2012 auf 250.000,- € verdoppelt werden soll. Und dann kam noch ein unechter Haushaltsantrag zwecks Umsetzung eines bereits mit der Bugenhagengemeinde abgestimmten Parkplatzkonzepts. Hier war wenigstens das Argument zu hören, dass dieser Plan in die im Haushaltsplanentwurf enthaltene Prioritätenliste aufgenommen werden müsse. Ich bin mir nicht sicher, ob dies den Antrag, zu dem sich CDU, FDP und die Piratin enthielten, zu einem richtigen Änderungsantrag zum Haushaltsplan macht, es sein denn, man folgt der Logik, das nur das, was im Haushaltsplan steht, von der Verwaltung ausgeführt wird. Dann aber könnten der Rat und die Bezirksräte ihre Tätigkeit bis zur Vorlage des nächsten Haushaltsplan Ende 2012 einstellen, weil alle Beschlüsse, die nicht im Haushaltsplan stehen, nicht umgesetzt werden können und damit unnütz wären. Der durch die Änderungsbeschlüsse veränderte Haushaltsplan wurde sodann bei Enthaltungen von CDU, SPD und Piratin angenommen. Interessanter wurde es bei der Antwort der Verwaltung zu der Anfrage der CDU, warum von den 8 für 2012 geplanten Neubauten von Kindertagesstätten keine in Südstadt-Bult liegen würde. Laut Verwaltung mangelt es an freien Flächen im städtischen Besitz im Stadtbezirk, woraufhin den Bezirksratsmitgliedern sofort 2 freie städtische Grundstücke im Stadtbezirk einfielen, einmal neben der Kinderheule an der Alten Bult, und das andere zwischen Eisfabrik und Lutherstraße. Soviel zur Kenntnis der Stadtverwaltung über das eigene Grundstücksvermögen. Weiterhin beschloss der Stadtbezirksrat einstimmig, mit eigenen Mitteln einen Neujahrsempfang 2012 zu veranstalten, sowie einen Ehrenpreis in Höhe von 1.500,- € zu vergeben. Dem rot-grünen Antrag auf Absenkung der Bordsteine an mehreren Kreuzungen stimmten alle zu, bei dem rot-grünen Antrag, die Bahnstrecke südlich anschließend an den Braunschweiger Platz mit einem Zaun wegen dort bereits bestehender Trampelpfade und damit Gefahr für Kinder zu sichern enthielt sich die Piratin. Hoch her ging es dann bei dem Antrag der CDU, Parkplätze in der Südstadt durch den Bau von Tiefgaragen unter dem Stephansplatz, dem Bertha-von-Suttner-Platz und am Südbahnhof auf dem ehemaligen Kertessgelände – dort entstehen demnächst zahlreiche oberirdische Parkplätze - zu schaffen. Für diesen verwegenen Plan wird sich wohl kein Investor finden lassen und wenn doch werden die Einstellplätz unbezahlbar werden. Von Seiten der FDP wurde darauf hingewiesen, dass es noch immer kein Konzept der Verwaltung für den ruhenden Verkehr in der Südstadt gebe, und die Piratin stellte die interessante Frage, was es denn der Verwaltung kosten würde, auf einen solchen Beschluss des Bezirksrats zu antworten. Konnte leider nicht beantwortet werden, aber ich vermute mal maximal 1 Stunde Arbeit, im Archiv Stellungnahmen zu früheren ähnlichen Anträgen zu suchen, diese dann abzuschreiben und etwas zu aktualisieren. Bei Enthaltung der Piratin stimmten SPD, Grüne und der Linke gegen den Antrag. Und dann wollte die CDU noch, dass die Fahrstuhlausgänge der U-Bahn auf der Hildesheimer Straße ein Vordach bekommen weil man im Fahrstuhl selbst den Regenschirm nicht entfalten könne, sondern erst, wenn man den Fahrstuhl verlasse, aber dann werde man nass, bevor man den Regenschirm entfalten könne. Unabhängig davon, ob die Stadt nicht der falschen Adressat dieses Begehren ist, weil die U-Bahn der Üstra gehört, wurde von Rot-Grün darauf hingewiesen dass wenn man den Regenschirm erst außerhalb des Fahrstuhls entfalten würde man schon auf dem dort dicht vorbeiführenden Radweg stehe und längst überfahren worden sei. Tatsächlich brauche man den Regenschirm einfach nur durch die geöffnete Fahrstuhltür nach außen richten und öffnen und könne dann ins Freie treten ohne nass zu werden. Außerdem stamme der Wunsch nach dem Vordach von einem älteren Herren, der mit einer Liste weiterer Kleinigkeiten, die ihn in der Südstadt stören würden, während des Kommunalwahlkampfes an den Ständen aller Parteien aufgetaucht sei. Sodann stimmten SPD, Grüne, FDP und der Linke gegen den Antrag. Ein Antrag des Linken zur Umbenennung der Sohnreystraße (Heinrich Sohnrey war zwar nicht Mitglied der NSDAP, aber ein Bewunderer Hitlers) war vorher schon zurückgezogen worden. Ein nachgereichter Antrag für eine Zuwendung in nicht genannter Höhe für den Integrationsbeirat Südstadt-Bult fand die Zustimmung aller. Und dann war Schluss. Die nächsten Sitzungstermine sind 25.01., 22.02., 21.03., 16.05., 20.06., 18.07., 19.09., 17.10., 21.11. und 19.12.2012, jeweils Mittwoch um 18:00 Uhr (bis maximal 22.00 Uhr) in der Böhmerstraße 8 im Untergeschoss, und der Neujahrsempfang findet am Samstag, den 21.01.1212 ab 11.00 Uhr im Alten Magazin in der Kestnerstraße statt. (Das Schreiben dieses Beitrags hat länger gedauert als die ganze Sitzung, aber noch macht es Spaß.)

2 Kommentare:

qx43v hat gesagt…

Vielen Dank für diesen interessanten und außergewöhnlichen Artikel! Die ziemlich teilnahmslose Beobachterperspektive wirkt zwar etwas überheblich, das Resultat ist aber echt packend. So hautnah habe ich Politik (Bezirkspolitik?) selten erlebt.
Die Bilder könnten aber wesentlich höher aufgelöst sein. Du denkst vielleicht: "für den dokumentarischen Zweck reicht das". Kann sein - ich würde mich trotzdem freuen, z.B. einen nassen Asphaltkrümel erkennen zu können. Hier einige Straßenfotos in technisch recht guter und ästhetisch ähnlicher Qualität: http://max.kellermann.name/blog/kopf_ab.html.

Bitte zu den o.g. Terminen keinen Urlaub nehmen, Feiern o.ä. absagen und ggf. auch bei mittelschwerer Krankheit versuchen, dabei zu sein. So könnte es ein fantastisches 2012 werden.

olli hat gesagt…

Mir hat der Beitrag auch sehr gefallen bis auf zwei Kleinigkeiten. Zum einen ist es der Verweis auf Knöllchen Horst. Der Mann gehört totgehauen und Basta.
Zweitens: dieses "Bürger wollen daß der Staat alles macht aber kosten darf es nix" ist billige Mönninghoff Rhetorik und sollte auch ihm exklusiv vorhenthalten sein. Nach meiner Erfahrung sind die Menschen durchaus bereit, Steuern zu zahlen wenn sie das Gefühl haben daß diese auch gewissenhaft verwendet haben.
Hau rein Martin und immer weiter so.