Fragestellung: Gibt es einen Zusammenhang zwischen Jugendkultur und der Art und/oder Form des Bildungsweges? Sind einige Jugendkulturen bildungsgeneigter als andere? Neigen Mitglieder bestimmter Jugendkulturen zu bestimmten formellen und/oder inhaltlichen Bildungswegen, oder steht die Intensität der Einbindung in eine Jugendkultur einem universitären Bildungsweg entgegen?
Jugendkulturen sind Gruppierungen von Jugendlichen, die sich über eine gemeinsame Attitüde definieren. Gemeinsamkeiten sind in der öffentlichen Wahrnehmung zumeist das Aussehen und der Musikgeschmack, die Gemeinsamkeit kann sich aber auch anderen Interessen speisen. Jugendkulturen sind kein Phänomen, das erst nach dem 2. Weltkrieg entstand. Seit den 1980er Jahren sind Jugendkulturen immer mehr zu gesamtgesellschaftlichen Phänomenen geworden. Gründe hierfür sind zum einen die Verlängerung der Phase der Ausbildung, sprich Jugend, und der immer spätere Übertritt ins Erwerbsleben, möglicherweise weiter verzögert durch Jugendarbeitslosigkeit. Zum anderen führt die Tendenz zur Individualisierung in der Gesellschaft dazu, dass immer mehr Subkulturen, die oft Fortsetzungen von Jugendkulturen sind, sich gegenüber der Gesamtgesellschaft sichtbar machen. Die sogenannten Jugendkulturen - eigentlich Subkulturen mit jugendlichem Ausgangspunkt - sind nicht mehr zeitgebundene Phänomene, sondern ihre Attitüden werden sichtbar auch im Erwachsenenleben fortgepflegt.
Grob eingeteilt gibt es in Deutschland u.a. folgende Jugendkulturen:
-Punk/Alternative
-Techno
-Hip-Hop
-Skinheads/Hooligans
-Rocker/Heavy Metal
-Gamer/Hacker/Nerds
-Gothic
wobei jede dieser Kulturen in beliebige viele Untergruppen eingeteilt werden kann, sowie Mischformen existieren können. Auch gibt es Abstufungen in der Intensität der Teilnahme oder auch unterschiedliche Interessenschwerpunkte. Nicht immer steht der gemeinsame Musikgeschmack im Vordergrund.
Daneben gibt es auch Jugendkulturen, die Ausformungen von gesamtgesellschaftlichen Strömungen sind wie z.B. kirchliche Jugendgruppen oder politische Jugendorganisationen.
Ein besonderes Problemfeld könnten weibliche Jugendliche sein, wo teilweise die Bindung zu einer speziellen Jugendkultur in Abhängigkeit zum jeweiligen Lebensgefährten steht. Auch gibt es typischen Mädchenkulturen wie z.B. das boy group-Phänomen. Schließlich ist ein nicht unerheblicher Teil der Jugend jugendkulturell gar nicht auffällig.
Jugendkulturen lassen sich natürlich auch anders kategorisieren, z.B. ob technikgeneigt oder nicht, körperbetont, hedonistisch, gesellschaftskritisch und ähnliches. Dies scheint aber möglicherweise ein zu grobes Raster zu sein, das außer Acht lässt, dass die Wahl des Bildungsweges sich ja durchaus zweistufig betrachten lässt, nämlich formell (Uni oder Ausbildung, vermittelt z.B. durch den sozialen Status des Eltern) und inhaltlich (welcher Studiengang, Kunst/Naturwissenschaften/Sozialwissenschaften). Auch Jugendkulturen lassen sich in dieser Zweistufigkeit deutlich realistischer erfassen.
Denkbare Ergebnisse:
-Soweit Jugendkultur mehr oder minder auf die Freizeitgestaltung beschränkt ist hat sie keinen Einfluss auf den Bildungsweg. Greift die Teilnahme an der Jugendkultur jedoch auf die gesamte Lebensgestaltung über, entfällt die Teilnahme an den traditionellen Bildungswegen.
-Soweit es eine Affinität zwischen der Attitüde der jeweiligen Jugendkultur und einzelnen Bildungsbereichen gibt könnte sich dies in der Wahl des Bildungsweges niederschlagen. Hedonistische und körperbetonte Jugendkulturen wählen eher Bildungswege, die eine Trennung von Beruf und Freizeit ermöglichen (Ausbildung in Handwerk und Verwaltung, Studium der Wirtschaftswissenschaften), gesellschaftskritische Jugendkulturen finden sich eher in sozialwissenschaftlichen und künstlerischen Studiengängen wieder.
-Erfahrungen aus Jugendkulturen werden kaum für die Wahl des Bildungsweges nutzbar gemacht, der Einfluss des Elternhauses und des Arbeitsmarktes ist deutlich größer.
-Nicht die Wahl der Jugendkultur entscheidet über den Bildungsweg, sondern umgekehrt, weil die entscheidenden Faktoren für die Wahl des Bildungsweges früher gesetzt werden.
Literatur:
-Ruile, Anna Magdalena: Lernen in Jugendszenen - Ein Ausweg aus sozialer Ungleichheit im Bildungssystem?, Tectum-Verlag, Marburg 2010
-Pohl, Axel u.a. (Hg.): Jugend als Akteurin sozialen Wandels – Veränderte Übergangsverläufe, strukturelle Barrieren und Bewältigungsstrategien, Juventa, Weinheim 2011
-Otte, Gunnar: Millieu und Bildungsweg, Sozialstrukturanalysen mit Lebensstilen. Eine Studie zur theoretischen und methodischen Neurorientierung der Lebensstilforschung, Mannheim
"Jugend erzieht sich selbst"
In welchem Alter fallen die grundlegenden Entscheidungen für den Bildungsweg?
Was sind die prägenden Einflüsse zu diesem Zeitpunkt? Eltern? Soziales Umfeld einschließlich Jugendkultur?
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Die Fragestellung ist: was sind die Faktoren, die über die Wahl eines Ausbildungsweges entscheiden? Dabei ist...
Bei der Wahl des Bildungsweges ist zu unterscheiden zwischen dem formalen Ausbildungsweg (z.B. Lehre, Ausbildung, Studium) und der inhaltlichen Ausrichtung (z.B. kaufmännisch, wissenschaftlich, künstlerisch, handwerklich).
Während für die Wahl des formellen Ausbildungsweges erste Ergebnisse vorliegen – Untersuchungen von Markus Loerz legen nahe, dass die Entscheidung stark abhängig ist von sozialen Status der Eltern – sind für die Frage der inhaltlichen Entscheidung bei HIS noch keine Befunde erhoben worden.
Es ist denkbar, dass für die inhaltliche Wahl des Bildungsweges Faktoren außerhalb des Elternhauses ein größeres Gewicht bei der Entscheidungsfindung spielen. Denkbar sind hier Einflüsse aus den Jugendkulturen oder aus anderen Teilen der Gesellschaft (z.B. Schule, Medien, Politik).
Vor dem Hintergrund der aktuellen gesellschaftlichen Diskussion über Nachwuchsmangel z.B. bei Ingenieuren, aber auch inwieweit Fernsehsendungen wie "Deutschland sucht den Superstar" Jugendliche davon abhalten, einen eher unauffälligen Berufsweg im Gegensatz zu schnellen Ruhm ohne vorausgehende qualifizierte Ausbildung im Showgeschäft zu suchen, ist es durchaus von gesellschaftlichen Interesse, Einflussmöglichkeiten von außerhalb des Elternhauses auf die Berufswahl von Jugendlichen zu ermitteln. Dabei stellen die Jugendlichen keine homogene soziale Gruppe dar, sondern zerfallen in zahlreiche Subkulturen mit jeweils eigenen Wertvorstellungen, die teilweise mit den gesamtgesellschaftlichen Wertorientierung nicht in Übereinstimmung zu bringen sind. Allerdings gibt es auch in der Gesellschaft keine übermäßig dominanten Wertorientierungen mehr, vielmehr zerfällt auch diese durch zunehmend von der Wirtschaft geförderten Individualismus in Subkulturen, die teilweise als Fortsetzung jugendkultureller Erfahrungen anzusehen sind.
Frage: Gibt es bereits Untersuchungen zu den Faktoren der Berufswahl von Jugendlichen?
Die regelmäßigen "Shell Jugendstudien" enthalten einen umfangreichen Fragekatalog, in dem die Einstellung der befragten Stichprobe (in der 16. Studie von 2010 waren es 2600 Jugendliche zwischen 12 und 25 Jahren) zur Gesellschaft und ihrer eigenen Zukunft abgefragt wird. Sie enthält auch Fragen zum angestrebten Schulabschluss (Shell Studie 2010 F.58 und F.60) und dem nachfolgenden Bildungs- und Berufsweg. Die Fragen richten sich aber nur auf den formalen Ausbildungs- und Berufsweg, nicht auf die inhaltliche Wahl. Die abschließenden Fragen F.86 und F.86a zum Schulabschluss der Eltern in Verbindung mit der Frage F.87 zum Verhältnis zu den Eltern (wir kommen gut miteinander aus vs. das Verhältnis ist schlecht) bietet die Möglichkeit, einen möglichen Zusammenhang zwischen Bildung der Eltern und dem eigenen Bildungsweg zu ermitteln. So ergibt sich aus Tabelle 2.3 (S. 72) ein deutlicher Zusammenhang zwischen Schulabschluss der Jugendlichen zu dem des Vaters mit der Tendenz zu höheren Abschlüssen (siehe auch Tabelle 2.4, S.73). Ein gleiches Bild zeigt auch die 15. Shell Jugendstudie.
Fragen nach der konkreten Zugehörigkeit der Befragten zu speziellen Jugendkulturen sind in der Studie nicht enthalten, jedoch wird festgestellt, dass "die überwältigende Mehrheit (der Jugendlichen) steuert auf einen Kompromiss von Lebens- und Wertemustern zwischen Herkunftsfamilie und Gleichaltrigen oder sogar auf eine Harmonie hin." (S. 46) Dies deutet zumindest an, dass es neben dem Elternhaus auch andere Faktoren für die Wahl des Bildungsweges gibt. Welche dies sind wird aus der Shell Jugendstudie nicht ersichtlich.
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Wikipedia: Jugendkultur / Subkultur - Kennzeichen von Jugendgruppen
Subkulturen werden im Wesentlichen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen getragen und haben vor allem Einfluss auf Musik, Sprache, Mode und Lebensstil. Laut Oerter (2002, S. 311) sind Sub-kulturen Teilbereiche der Gesamtkultur und weisen folgende Kennzeichen auf:
- Das Normensystem hebt sich von der Gesamtkultur ab.
- Der Lebensstil weicht von der Gesamtkultur ab.
- Es ist ein Sozialsystem vorhanden, das Normen und Lebensstil vorgibt.
Als "Gegenkultur" wird eine Subkultur dann bezeichnet, wenn ihre Normen der Gesamtkultur widersprechen. Die "Jugendkultur" beinhaltet Bereiche aus Subkultur und Gegenkultur (vgl. Oerter 2002, S. 311), wobei jedoch radikales Gedankengut gegenüber der Gesellschaft im Gegensatz zu den 1960er und 1970er Jahren heutzutage nur mehr bei einigen wenigen Gruppen angetroffen werden kann. Heutzutage umfasst die Jugendkultur hauptsächlich den Freizeitbereich (vgl. Großegger & Heinzlmaier 2004, S. 7). Als wichtige Szenen führen Großegger und Heinzlmaier (2004, S. 10) die Musik-Szene an, die unter anderem die Techno- die Metal- oder die Hip-Hop-Szene umfasst, die Fun-Sport-Szene, zu der sich Snowboarder, Skateboarder oder Beachvolleyballer zählen oder auch die Computer-Szene.
Viele Jugendgruppen entwickeln ihren eigenen Sprachstil, den so genannten "Jargon". Dieser ermöglicht es, Dinge auszudrücken, die mit der bisherigen Sprache nicht vermittelt werden konnten (vgl. Oerter 2002, S. 314). Darüber hinaus bewirkt er ein Zusammengehörigkeitsgefühl. Oerter (2002, S. 314) gibt als Beispiel das Wort "cool" an.
Verschiedene Gruppen verwenden "integrale Objekte", z. B. Motorräder, Computer oder Musikgruppen, um sich von anderen Gruppen abzugrenzen. So genannte "homologe Objekte", wie z. B. Kleidung, Accessoires unterstützen das Zusammengehörigkeitsgefühl (vgl. Oerter, 2002, S. 314).
Da die Lebensstile der Jugendlichen von aktuellen Modeströmungen beeinflusst werden, müssen die Lebensstile im Erwachsenenalter nicht diesen Vorstellungen entsprechen. Im Gegenteil, die Lebensstile werden mit Eintritt in das Erwachsenenleben rasch an die Hauptkultur angepasst (vgl. Oerter 2002, S. 313). -> gilt das heute noch?
Jugendliche, die einen kleinen Freundeskreis haben und Jugendliche, die relativ wenige soziale Beziehungen zu Gleichaltrigen aufweisen, zeigen laut Untersuchungen "weniger Risiko- und Problemverhalten" (Oerter 2002, S. 314). Jugendliche, die sich in Cliquen befinden, rebellieren am häufigsten gegen die Normen der Erwachsenenwelt (vgl. Oerter 2002, S. 314).
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