26.8.11

Boot Boo Hook 2011

Ja, ich bin da nur hingegangen, weil dort Wire gespielt haben, und zusammen mit den Goldenen Zitronen und dem Pyrolator war das dann doch ein Argument, sich dieses Open Air-Festival mitten in Hannover anzutun. Wire waren zuletzt 1979 in Hannover, als Vorgruppe von Roxy Music, was damals aber keiner mitbekam, schließlich waren Roxy Music alte Fürze. Aber der Reihe nach:
Freitag begann mit Gary, die nicht hängen blieben, Young Rebel Set waren unwichtig. Dann jedoch der große Auftritt der Goldenen Zitronen, wo ich zuerst dachte, kann das hier auf offenen Feld um kurz vor 17.00 Uhr überhaupt funktionieren?
Tatsächlich ist die Musik nicht wirklich Festival-kompatibel, aber es gab 2 schlagende Argumente, nämlich coole Kostüme und ein Schorsch Kamerun mit Mega-Entertainer-Qualitäten, der die politische Agitation der Band spontan mit den Werbebannern von Sparkasse und John Player Special kombinierte. Wunderbar! Und ein guter Sound, so das eine Menge der Texte rüberkam. Get Well Soon waren danach der absolute Abturner, laut Fachleuten besser um Mitternacht postioniert, aber wegen Anwohnern musste auf der Open Air-Bühne um 23.00 Schluß sein. Junip danach waren noch mehr mainstream und einfach nur öde.
Zwischendurch immer mal wieder in die 60er Jahre-Halle und den Mephisto-Club geschaut, doch schnell wieder die Flucht ergriffen, auch wegen großem Gedränge. Mobylettes waren mir zu sehr 60er-Jahre-Klischee, bei Samba der Sound einfach Matsch, und die Dänen EF waren 1A-Mogwai-Klone mit einfach zuviel Gitarren-Gepose. Schließlich wieder draußen Wir Sind Helden angesehen, nett, aber Scheiß-Publikum, zuviel hüpfende und mitsingende Mädchen.
Der Samstag begann mit den mir völlig unbekannten Moss, die aber wundervoll schrammelige und mehrstimmige Lieder mit 60ies Charme brachten und sich einfach wie ein warmes Bad anfühlten.
Crocodiles danach begannen als Spacemen 3- und Jesus And Mary Chain-Klone und fielen bei mir durch, weil sie sich mit ihren Riffs nicht genug Mühe gaben: entweder mehr Melodien oder die wirklich brutale Reduktion wie bei den Cosmic Psychos, aber bitte kein jugendliches Re-enactnment von großen Vorbildern. Pluspunkte die sägende Farfisa-Orgel und das Arthur Rimbaud-T-Shirt des ausgemergelten (Heroin-Chic?) Sängers. Dann endlich Wire und plötzlich lauter bekannte Gesichter um mich herum. Offenbar hatten noch andere alte Nasen beschlossen, sich diese Ereignis nicht entgehen zu lassen und danach zumeist wieder zu verschwinden.
Wire boten null Show und begannen mit Ally in Exile etwas wackelig, danach spulten sie ein Greatest Hits-Programm ab u.a. mit Drill und dem großartigen Map. Ref., um nach 11 Stücken im infernalischen Lärm von Pink Flag zu enden. Wunderbar! (Kann mir jemand vielleicht sagen, welches iPad Herr Newman mit welcher Software verwendet hat? Herr Zeigermann vielleicht?)
Der New Young Pony Club mit seiner Indie-Disco war mir komplett egal, danach ging es in die 60er Jahre-Halle zum Pyrolator, der uns eine Performance bot indem er mit zwei Leuchtstäben zwei Laptops steuerte, kein Wort sagte und nach viel zu langer Zeit die Bühne verlies. Im Hintergrund liefen irgendwelche selbstgedrehten Filme aus Düsseldorf und Tokio und die Musik? Jemand meinte was von wenn alte Männer Techno machen und ich muß leider sagen dass diese Mischung aus biederem Techno und Trance oder was auch immer das war, ich bin da keine Fachmann, mich kalt lies. Ehrlich, eigentlich hab ich das nur ausgehalten, weil es eben der Pyrolator war.
Kreidler danach hab ich mir geschenkt, obwohl der Rest von Art Brut draußen nichts zu bieten hatte, was nicht schon auf der ersten LP vor 6 Jahren zu hören war. Frittenbude mit ihrem Kaufhaus-Techno und schlechten Raps („Wenn ihr einen Nazi trefft, einfach den Nazi aufessen“) waren nur scheiße und bei den ekligen Bonaparte hat mich der Stümper-Gitarrist mit seinem Gebrülle vorzeitig vertrieben (und nur wegen ein paar halbnackten Frauen auf der Bühne und Hasenkostümen mute ich mir das nicht zu).
Sonntag begann angenehm mit Christian Kjellvander und seiner Mischung aus depressivem Folksänger und Neil Young-Lärm, Timber Timbre dagegen konnten nie das an Magie erzeugen, was Sixteen Horsepower so spielend schafften. Joan As Police Woman war mir zuviel 70er Jahre-US-Mainstream und um etwas vorzugreifen bei den Kunstliedern von Sophie Hunger hab ich vorzeitig die Flucht ergriffen. Dazwischen gab es noch Thees Uhlmann mit seiner neuen Band und irgendwie war es peinlich. Die Musik war biederer Indierock, aber Textzeilen wie „Dein Herz ist wie eine Berliner Synagoge/Tag und Nacht bewacht“ sind echt grenzwertig. Dazu dieses Gehabe von wegen ich komme vom Dorf und wir hatten kein tolles autonomes Jugendzentrum, nur eine Schweinedisco, ging mir echt auf den Sack, dieses Angebiedere war einfach nur würdelos. So wird er jedenfalls nicht der deutsche Beuce Springsteen. Verzweifelt versuchte Herr Uhlmann oben auf der Bühne so wie wir zu sein, aber ich bin mir sicher, fast keiner im Publikum wollte so sein wie er.

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