2.9.07

Die Bremer Stadtmusikanten


Ja, es ist eine Kinderschallplatte, es steht "Für Kinder ab 6" auf der Rückseite, und ja, ich mag Janosch, besonders die frühen Bücher und Zeichnungen wie "Hannes Strohkopp und der unsichtbare Indianer" von 1966. Die bekannteren Sachen wie die Bücher vom kleinen Tiger und kleinen Bären sind nicht so mein Ding, und die Bücher der letzten Jahre, die zumeist aus endlosem Recycling bestehen, sind eher vergessenswert, auch wenn der krakelige Strich von heute nicht unsympathisch ist. 1972 bearbeitete Janosch 50 Märchen von den Gebrüdern Grimm und holte sie in die Jetztzeit, verdrehte die Geschichten und strich sie oft gegen die spießbürgerlichen Moralvorstellungen des 19. Jahrhunderts. Und so wurden aus den Bremer Stadtmusikanten vier aus der Gesellschaft ausgestoßene Tiere, die noch im Tode zum Profit eines zynischen Musikpräsidenten ausgebeutet werden. Wahrlich, dies ist harter Stoff, der 6jährige definitiv überfordert, aber jeder/m PunkerIn aus dem Herzen sprechen dürfte. Leider hat Janosch auch dieses Märchen wie viele andere seiner Bücher in der 1990er Jahren überarbeitet und die Bremer Stadtmusikanten jetzt sich nach erfolgreicher Bühnenkarriere auf einen Bauernhof zur Ruhe setzten lassen. Ich kann allen nur empfehlen, von den aktuellen im Handel erhältlichen Ausgaben die Finger zu lassen, schon wegen dem oben erwähnten Recycling ohne jedes Fingerspitzengefühl (alles, was bei Isis, Tandem, Transscripta und Serges Medien erschienen ist, ist Teufelswerk), und sich lieber antiquarisch die Ausgaben aus den 1960er und 1970er Jahren zu besorgen. Dies hier aber ist die ursprüngliche Fassung der Bremer Stadtmusikanten, von Janosch selbst vorgetragen auf einer in der 1970er Jahren erschienen Langspielplatte (zusammen mit seinen Kindern leichter zugänglichen Märchen-Versionen von "Hans im Glück", "Das Lumpengesindel", "Der junge Riese", "Der Riese und der Schneider" (eine hübsche Lektion über Untertanentum und Rebellion), "Das elektrische Rotkäppchen" und "Flöhchen und Läuschen"). Janoschs Version der Bremer Stadtmusikanten wird wohl ewig aktuell bleiben, man muss nur Helmut Zacharias gegen André Rieu austauschen.

"Die Bremer Stadtmusikanten"
von der LP "Janosch erzählt Grimm's Märchen" / fontana special 6434 161, o.J. / Erzähler: Janosch / Musik, Regie und Produktion: Egon L. Frauenberger / Musiksolisten: Paul Schmotz, Dimitrie und Willy Schmid / Tontechnik: Willi Schmidt, Trixi-Tonstudio, München
(download)

Translation: A track from a German children record, written and narrated by Janosch, the fairytale of the Bremen town musicians turned into a cynical story about the pop music business. I'm still waiting to be mentioned by WFMU - okay, they once linked to Knusperkeks - but I sure won't succeed with this one ;-)

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ohhh, toll, ich kenne die alten Märchen auch noch aus den 70ern/80ern, allerdings in der totes-Holz-Version und die ist längst zerfallen. Bitte bitte bitte mehr davon, zum Beispiel der Wolf und die 7 Geiserlein, falls es die auch vorgelesen gibt.

Anonym hat gesagt…

Was du immer ausgräbst ist bewundernswert ... Da guckt man in dein Blog und denkt ... „Aha .. was ist das jetzt?“ und bekommt auch dann eine erstklassige Erklärung über das was folgt - und lernt ordentlich dazu. Vielen Dank!

Anonym hat gesagt…

Thanks a lot for all your efforts!

As for one of your requests: another blog once posted "Portsmouth Sinfonia - Plays The Popular Classics":
http://honeybean39.blogspot.com/2006/10/portsmouth-sinfonia-plays-popular.html
The according dl link seems to be still active. If you encounter any problem, just leave a note here and I will upload it. - Sorry, this is the only Portsmouth Sinfonia release I came by. It's quite strange that nobody ever rereleased those records.

Teutonisation: Danke fuer die ganze Arbeit, die du dir hier machst, und natuerlich fuer all die obskuren Veroeffentlichungen. Ich kenne z.B. jemanden, der sich ueber die "Pol(h)itparaden" demnaechst sehr freuen wird...
Warum allerdings die gesuchten Platten der Portsmouth Sinfonia nie wieder veroeffentlicht worden sind, ist mir ein Raetsel. Vermutlich ein Fall zerstrittener Lizensinhaber...
Viele Gruesse, Frank

Anonym hat gesagt…

Sorry, obviously the page address for Portsmouth Sinfonia was kind of eaten up, so here is the link:
Portsmouth Sinfonia