14.8.07

Brennende Langeweile - Update

Update: Nachdem ich gestern zufällig in ZDF-Nachtprogramm die Dokumentation "Punk im Dschungel" entdeckte hatte, stellte sich heraus, dass diese mit der mit bis dahin unbekannten deutschen Hardcore-Band "Cluster Bomb Unit" Teil einer kleinen Reihe zum Thema 30 Jahre Punk "Für immer Punk" ist - während arte schon seit Wochen 40 Jahre Summer Of Love feiert - und in den nächsten Wochen noch 3 weitere Beträge folgen, die im Gegensatz zu "Punk im Dschungel" Wiederholungen sind, aber trotzdem sehenswert:
20.08.07: "Pop Odyssee: House of the Rising Punk", sehr gute Dokumentation von Christoph Dreher von 1998; Dreher war früher Mitglied der Berliner Instrumental-Band Die Haut, die unter anderem mit Nick Cave, Lydia Lunch etc. zusammenarbeitete, und verantwortlich für die Dokumentationsreihe über aktuelle Musikströmungen "Lost in Music" von 1992-98.
27.08.07: "Störung Ost", eine schon wiederholt gelaufene Dokumentaion über Punk in Ost-Berlin, in der überraschenderweise auch John Peel auftaucht, etwas experimentell, aber inhaltlich sehr gut.
03.09.07: "Brennende Langeweile", alles weitere im nachfolgenden Posting!


Pärchen freundet sich mit Punk-Gruppe an - Fernsehspiel
Der arbeitslose Peter und seine 17jährige Freundin Karin aus dem Sauerland lernen bei einem Punk-Konzert in Dortmund ihre Idole kennen: die Adverts. Die beiden Jugendlichen freunden sich mit den Musikern an und verbringen auch die nächsten Tage und Nächte mit ihnen. Wenn sie wieder nach Lüdenscheid kommen, wird nichts mehr so sein, wie es einmal war.
Es spielen lan Moorse, Monika Greser, The Adverts, Roadent, Günther Marecki, Karl E. Scheydt, Susi Sonntag, Michael Dempsey, Gerd Stein, Ruth Bruck. Annemarie Werkmeister
Das kleine Fernsehspiel Studioprogramm
Buch und Regie: Wolfgang Büld
Wolfgang Büld wurde 1952 in Lüdenscheid geboren. Nach einem Studium an der Film- und Fernseh-Hochschule in München drehte er seit 1975 die Kurzfilme "Nur die Sehnsucht bleibt" und "Nur ein kleines bißchen Liebe" sowie die Musikdokumentationen "Punk in London" und "Reggae in Babylon".
Die Gruppe "Adverts" wurde Anfang 1977 von TV Smith und seiner Freundin Gaye Advert gegründet. Sie gehörte zu den ersten Bande, die im legendären Punk-Club "Roxy" in London auftraten. Im Fernsehspiel ist immer wieder ihr Titel "Bored Teenagers" (Gelangweilte Teenager) zu hören. (Quelle: Fernsehwoche 11.1.1979)



Die Bassistin ist verschwunden. in dieser Situation entpuppt sich Karin unerwartet als Naturtalent an der Bassgitarre: Monika Graser


Punkrocker
Er ist 18 Jahre alt, arbeitslos und heißt Peter. Seine Freundin, die l7jährige Karin, ist Friseuse. Die beiden leben in einer Kleinstadt im Sauerland. Nichts scheint den grauen Alltag des Paares zu verändern. Erst als die Punkrockband "Adverts" nach Deutschland kommt, wird das Leben von Peter und Karin anders. "Brennende Langeweile" heißt die ZDF-Sendung, die am 11. Januar um 22.05 Uhr ausgestrahlt wird. Peter wird von dem l9jährigen Ian gespielt.
Ian, der die 13. Gymnasiumsklasse besucht, hat schon mehrere kleine Rollen gespielt. Wie soll es nach dem Abitur weitergehen? Ian: "Ich werde an die Münchener Filmhochschule gehen. Vielleicht werde ich mal Regisseur wie mein Vater."
pwe (Quelle: Musik Joker 1979)


Ian Moorse und Monika Greser in "Brennende Langeweile"


Als dieser Film 1979 im ZDF lief war ich elektrisiert, passte er doch wie die Faust aufs Auge zu meinem damaligen Lebensgefühl (und die Fernsehkritik aus der H.A.Z. lag im Gegensatz zu den meisten damaligen Artikeln über Punk nicht komplett neben der Spur). Ein Dutzend Jahre später, als ich es endlich geschafft hatte mir eine Videokopie des Films zu besorgen, fand ich den Film beim Wiederansehen unerträglich. Heute kann ich ihn mir wieder anschauen, auch wenn einige Szenen mir nach wie vor die Zehennägel umdrehen, aber das ist mein persönliches Problem. Eigentlich ist der Film ein gutes Portrait der kleinstädtischen BRD und ihrer Jugend vom Ende der 70er Jahre, aber ebenso auch der damaligen Filmästhetik - endlos lange Einstellungen und wenig Kameraschwenks. Was den Film aber darüber hinaus noch interessant macht ist das Mitwirken der Adverts (englische Punkband als Hinweis für diejenigen, die googlen müssen anstatt sich erinnern zu können). Trotz teilweisem overacting präsentieren sie englischen Punk viel weniger wild als die deutschen Medien uns damals einreden wollten (wobei sich der legendäre Clash-Roadie Roadent als echtes Schauspieler-Talent entpuppt). Und noch besser: der Film enthält Ausschnitte aus 3 verschiedenen Konzerten der Adverts während ihrer Deutschlandtournee 1978. Der Filmsound klingt zudem ziemlich anders als die offiziell von RCA veröffentlichte Live-Aufnahme von "New Church" (auf der B-Seite von der großartigen "My Place"-Single). Kann sein, dass es sich um Tonaufnahmen des Filmteams handelt, um andere Mixe oder gar andere Konzerte in West-Deutschland. Jedenfalls habe ich den Verdacht, wenn RCA mal in sein Archiv runtersteigt, dass sich da noch eine ganze Live-LP der Adverts finden lassen könnte. Kommissar Campino (die Toten Hosen bringen ja die neuen Platten des Adverts-Sängers T.V.Smith raus), übernehmen Sie (falls Sie Zeit zwischen ihren Theaterauftritten haben, alle Google-Links zu ihrem Namen abzuchecken und dann auf diesen nichtswürdigen Blog-Eintrag stoßen sollten)! Kommentare erwünscht.


The Adverts live in Germany "Gary Gilmores Eyes" / "Love Songs" / "Televisions Over" / "I Surrender" / "Soundcheck" / "Great British Mistake" / "New Church" aus dem Fernsehfilm "Brennende Langeweile" außer "New Church": B-Seite der "My Place"-Single (download)


Fernsehkritik
Geht an die Substanz
"Brennende Langeweile" im Zweiten Fernsehen
Wolfgang Büld kennt sich aus in der "Punk -Szene: Das ist eine der bestimmendsten Voraussetzungen für diesen spielerischen Blick hinter die Kulisse des Underground-ShowBusiness. Dazu kommt, daß Büld die Stimmungslagen seiner jungen Protagonisten bei aller wohlbelassenen Laienhaftigkeit äußerst einleuchtend inszenieren kann.
Die Leere, dieser Betäubungsrummel aus Überdruß an den üblichen kleinkarierten Gefangennahmen des gesellschaftlichen Prozesses, die Verlassenheit und die Unsicherheit im Umgang miteinander, die nur scheinbar überwunden werden im forschen und direkten Kumpelton: Büld hat einen Blick für Valeurs, wenn er dies alles zeigt.. Schließich auch für den Protest gegen die alles kommerzialisierende Leistungsgesellschaft, die aber wiederum keine ausreichenden Möglichkeiten für die Jugendlichen bietet, sich selbst zu verwirklichen. Der Protest, den sie anzetteln, wird aber immer sogleich wieder vermarktbar gemacht von cleveren Geschäftemachern.
Büld geht in "Brennende Langeweile" gleich in medias res, entwickelt nicht lange Exposition, Durchführung und dramatisches Ende, nein, hier wird von Lethargie, von stumpfsinnig lauten Protestrhythmen gehandelt und von Leuten, die abgedriftet sind in eine Art Hilflosigkeit, die den anderen, den angeblich Etablierten, die Möglichkeit bietet, sich mit ihren Vorurteilen auf diese jungen Leute zu stürzen. Die Managementzähmungsversuche, die Einbrüche der Ordnungshüter sind zwar nicht sonderlich originell, aber doch sehr einfühlsam in Szene gesetzt: Keinen weiteren Vorurteilen wird Vorschub geleistet.
"Brennende Langeweile' vermittelt in offener Weise ein impressionistisches Stimmungsbild von einer Gruppe am Rande dieser Gesellschaft, die allerdings schon an die Substanz dieser Gesellschaft heranreicht.
Tsr. (Quelle: Hannoversche Allgemeine Zeitung 13.1.1979)



Summary: The Adverts met the German filmmaker Wolfgang Büld in 1977 in London where he made the documentary "Punk in London". They met again in 1978 during concerts of The Adverts in Germany where the band acted for Bülds movie "Brennende Langeweile" ("Burning boredom") as themselves, a british punk band on tour in Germany. The movie is not that bad, it's a good documentary about German youth culture in small towns in the late seventies, although the storyline is a bit weak. But more interesting are the scenes from 3 different shows The Adverts played and the soundtrack which includes 5 songs but not "New Church", the flip side of the "My Place"-7". More stupid pictures shot from the tv screen included with the mp3-files. Please comment after downloading.


PS:Brennende Langeweile © Kino im Sprengel

Wie der Punk nach Deutschland kam: der erste deutsche Spielfilm zum Thema Punk mit der britischen Band "The Adverts".

Zwei Jugendliche aus dem Sauerland reisen der Punk-Gruppe "The Adverts" nach, die erstmals durch Deutschland tourt: Sie wollen wissen, wie ihre Vorbilder leben. Authentisch und voller Energie zeichnet der Film das Bild einer Jugend in der Provinz und zeigt, wie die Punk-Musik nach Deutschland kam.

Nach dem Musikfilm "Punk in London" war "Brennende Langeweile" der erste Spielfilm von Wolfgang Bueld. Hauptdarstellerin war Gaye Advert, Sängerin und Bassistin der Adverts. Sie war "derartig schüchtern, dass sie noch nicht einmal zu einer Kussszene mit ‘Darsteller’ Ian Moorse zu überreden war.

Gedreht wurde 1978 während der Nachwehen der RAF-Panik im Raum Köln und in Buelds Heimatstadt Lüdenscheid ‘Lüdenskeid’. Das Team wurde bei jeder Fahrt über die Autobahn x-mal mit vorgehaltener H&K Mpi 5 kontrolliert, was bei den Engländern den Eindruck verfestigte, dass sich in Deutschland seit 1933 nicht so viel verändert hat.

Eintritt: 4 Euro
Termine:
Do. 28.12.2006 - 29.12.2006, 20:30 Uhr
Kino im Sprengel, Klaus-Müller-Kilian-Weg 1, 30167 Hannover
Telefon: 0511 - 703814
Fax: 0511 - 703841
Email: info@kino-im-sprengel.de
Internet: http://www.kino-im-sprengel.de
Weitere Links zum Thema:
www.kino-im-sprengel.de (anderer link)


(originally postet on 17.12.06)

4 Kommentare:

Jörg hat gesagt…

An den Film kann ich auch noch dunkel erinnern, allerdings nicht an die Story sondern an die Auftritte der Adverts, eine der ersten Punkkonzerte im TV. Vorher gab's eigentlich nur Szene7x mit Thommy Gotschalk(!).
Wo hast Du eigentlich immer die Zitate her? Hast Du die ganzen alten Zeitungen im Keller?
Ein paar MusikJoker (SOUNDS für Teenies...) habe ich auch noch irgendwo auf dem Dachboden..
Danke und bitte weiter so (vielleicht nicht ganz so viel Schulmusik...) ;-)

Anonym hat gesagt…

Vielen Dank für den Hinweis. Ich habe den nie gesehen, weil damals das „Pseudo-Punk-Getue“ so ziemlich „das Letzte“ für uns war (da gab es auch noch so einen New Wave Streifen, der irgendwas mit „Neonlichter“ hieß und in Berlin spielte - oberpeinlich). Aber auch immer wieder schön, dass das ZDF seine Perlen im Nachtprogramm versteckt, wenn wirklich niemand mehr wach ist. Also Videorekorder an, Kassette beschriften und irgendwann mal rausholen - oder vergessen.

Anonym hat gesagt…

Ich kann mich gut an den Film erinnern, war damals gut, vor allem weil Teile des Films nah der Heimat spielne (inkl. Spaziergang auf der A555 in Wesseling...), außerdem Gaye Advert zu sehen,.... ähm.

Aber ich glaube auch, daß kommt heute ganz anders.... hat eher was Dorfpunkmäßiges, oder?

Der Stiev aus Bonn

Anonym hat gesagt…

danke für den hinweis zum film über den new yorker punk + cbgb's - hätte ich wohl nicht gesehen, glotze ist eh meist verstaubt und weggeräumt!!

richard hell ist ja wirklich ein ziemlich sympathischer typ, alan vega fand ich auch nett im film - aber manche, wie deedee ramone sind ja ganz schön gezeichnet...