...zufällige Gedanken zu verschiedenen Themen, die nicht nur mit Hannover, Musik, Punk, Politik zu tun haben ...
6.6.12
Popmusik immer trauriger?
"Depri-Songs in Moll: Pop-Musik klingt heute viel trauriger als früher" (Welt-online), "Gefühlslagen in Moll: Pop klingt immer trauriger" (Focus-online/Stern.de), "Herzschmerz macht den Hit" (Spiegel-online), "Musik immer trauriger: Heul doch und hör Pop!" (Financial Times) und so weiter und so fort, das sind alles Schlagzeilen, die gestern durch das Netz rauschten. Ich habe jetzt keine Lust, da nach irgendwelchen Mißverständnisse zu suchen, sondern greife mir einfach mal die originale Pressemeldung der Freien Universität Berlin und stelle mal ein paar Überlegungen an.
Die Reduktion von Popmusik auf Dur und Moll scheint mir nicht nur etwas einfältig, besonders wenn hier als fröhliches Lied in Dur ausgerechnet "Help" von den Beatles angeführt wird, dessen Text nun so gar nichts fröhliches hat: Hilfe! Ich brauche jemanden / Hilfe! Nicht einfach irgendjemanden / Hilfe! Du weißt, ich brauche jemanden / Hilfe! // Als ich jünger war, so viel jünger als heute / Brauchte ich niemals irgendjemands Hilfe auf irgendeine Art / Doch nun sind diese Tage vergangen / Ich bin nicht so selbstsicher / Nun bemerke ich, dass ich meine Meinung geändert habe / Ich habe die Türen geöffnet // Hilf mir, falls du kannst, ich fühle mich niedergeschlagen / Und ich bin dir dankbar, dass du um mich bist / Hilf mir, lass mich wieder Boden unter die Füße bekommen / Würdest du mir nicht bitte, bitte helfen? // Und nun hat sich mein Leben auf so viele Weisen verwendet / Meine Unabhängigkeit scheint im Nebel zu verschwinden / Aber manchmal fühle ich mich so unsicher / Ich weiß, dass ich dich einfach mehr brauche als ich es jemals getan habe". Popmusik lebt ja gerade von dem Zusammenspiel von Text UND Musik (und Interpret und Image und Sound und Marketing und und und), insofern liegt hier schon mal ein Kardinalfehler der Studie.
Zweitens wurden nur Titel der amerikanischen Charts untersucht. Möglicherweise würde eine Untersuchung vergleichbarer Titel der englischen und deutschen Charts ähnliche Ergebnisse produzieren, aber schon bei Ländern mit deutlich eigenständigerer Popkultur wie z.B. Italien und Frankreich könnten ganz andere Ergebnisse herauskommen. Aber auch für die USA scheinen mir die Thesen der Studie zweifelhaft, schließlich gibt es dort auch die Country-Charts und die R'n'B Charts, die deutlich unterschiedliche Bevölkerungsgruppen ansprechen, die auch deutlich unterschiedliche Gefühlslagen repräsentieren können. Und dass LP/CD-Charts auch wieder ganz andere Käuferschichten (Metal! Klassik! Volksmusik!) repräsentieren können ist auch ein Allgemeinplatz.
Letztendlich stellt sich die Frage, ob die Käufer und Hörer der für die Studie ausgewählten Titel tatsächlich für die Gefühlslage der amerikanischen Nation repräsentativ sind. Da habe ich doch erhebliche Zweifel, für die westliche Welt insgesamt, bzw. für den Rest der Welt aber dürfte gelten: ab in die Mülltonne zu den anderen "Amerikanische Wissenschaftler haben herausgefunden"-Studien.
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1 Kommentar:
Mollakkorde müssen nicht immer traurig klingen. Gerade das in der Popmusik beliebte äolische Moll klingt eher spannend und abenteuerlich. Mehr dazu finden Sie unter folgendem Link:
http://www.musik-heute.de/4761/die-strebetendenz-theorie/
Bernd Willimek
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