29.4.24

Was heute nicht akzeptabel ist war es vielleicht auch nicht vor 50 Jahren

Vor einigen Wochen habe ich auf dem Flohmarkt eine LP entdeckt, auf deren Cover 5 Rockertypen abgebildet waren. Vor ihnen knieten 5 Frauen mit nackten Oberkörper. Die Band hieß Bulldog. Ich überlegte das Cover zu fotografieren, aber nachdem ich meine Runde gemacht hatte stellte ich fest, dass die LP verkauft worden war, offenbar an jemanden, der Sammler von solchen Schallplatten bedient (z.B. Mr Weird and Wacky).
Eine Recherche bei discogs (es gibt dort über 22 Künstler mit dem Namen Bulldog) ergibt, dass es sich um eine Hamburger Band handelte, die 1976 eine einzige LP aufnahm. Möglicherweise gibt es nur 100 Exemplare für Werbezwecke. Abgebildet bei discogs ist auch ein Bewerbungsschreiben an die Deutsche Grammophon, wobei sich die Frage stellt, wieso eine Band damals glaubte mit einem solchen Cover einen Plattenvertrag erwerben zu können. Denn ein genauerer Blick zeigt, dass die Frauen Halsbänder tragen und die Musiker Gürtel in den Händen halten. Was soll das Cover darstellen? Gewalt gegen Frauen (die Gürtel) ist okay? Frauen sind nur gut als hörige (die Halsbänder) Sexobjekte gut? Zu glauben mit so einem Image Anklang zu finden war schon damals ein Irrtum, schon vorher hatten sich die Scorpions mit ihrem Virgin Killer-Cover Ärger eingehandelt, ebenso Silver Convention mit Save Me. Es gibt eine ganze Literatur zu zensíerten Schallplattenhüllen.
Richtig ist, dass vor 50 Jahren die westlichen Gesellschaften weniger prüde waren, es gab Kinoerfolge wie Bilitis und den "legendären" Tatort Reifezeugnis mit den nackten Brüsten der damals 13jährigen Nastassja Kinskis. In dem Kinofilm Der Fan, in dem Bodo Staiger zerstückelt wird, trat die 17jährige Désirée Nosbusch nackt auf. Aber Gewalt gegen Frauen (die Rückseite des Bulldog-Covers habe ich dann erst bei discogs gesehen, leider ist dort nicht genau zu erkennen, wie diese "Balgerei" zu interpretieren wäre) war auch damals schon nicht okay.

Es wäre interessant zu erfahren, wie die Herren Gerd Oppermann, Rainer Paegelow, Günther Oehmichen, Michael Erhardt und Gerhard Stölting heute zu ihrer LP-Hülle stehen.

Siehe auch: Rape is a beautiful game, Happy Jazz und Co, Désirée Nosbusch, Virgin Killer

Weiterführende Literatur: Roland Seim, Josef Spiegel (Hrsg.) "Nur für Erwachsene. Rock- und Popmusik: zensiert diskutiert unterschlagen" Telos Verlag 2004

27.4.24

Geschichte wird gemacht

Barbara Hornberger "Geschichte wird gemacht. Die Neue Deutsche Welle. Eine Epoche deutscher Popmusik" (Verlag Königshausen & Neumann 2011)

Wieder einmal ist der Umschlag eines Buches irreführend. Thomas Schwebel und Peter Hain von Mittagspause in "Matrosenanzügen" (na ja, eher Kapitän oder Steuermann, aber die bunten Hemden passen nicht zur Seefahrt) 1979 in der Markhalle Hamburg auf dem Into The Future-Festval liegen zeitlich deutlich vor der NDW, auch vor dem Schisma zwischen Deutsch-Punk und Neuer Welle, wie es das Geräusche für die 80er-Festival markierte. Das passiert, wenn historische Fakten hinter Verkaufsinteressen zurücktreten.

Der Grund ein solches Buch als jemand, der diese Zeit selbst erlebt hat, zu lesen, ist z.B. die eigenen Erinnerungen mit denen anderer Menschen abzugleichen und gleichzeitig die eigene Verwirrung, was denn eigentlich die Neue Deutsche Welle ist/war, mit Hilfe wissenschaftlicher Deutungsversuche aufzulösen. Tatsächlich habe ich mich mal vor vielen Jahren an einer Definition der NDW versucht, die ihr hier nachlesen könnt. Die hatte ich ursprünglich für ein lange nicht mehr existierendes NDW Wiki geschrieben. (Warum schaffen es solche Projekte nie, nach dem Verschwinden der Gründer*innen weiterzuleben?) Interessanterweise kam keiner der damaligen anderen Autor*innen des Blogs auf die Idee, meinen Beitrag zu bearbeiten.

In meinem damaligen Text hatte ich versucht, die NDW anhand einiger Stilelemente von anderen Musikstilen abzugrenzen ("Einsatz von Synthesizern, Betonung des Rhythmus, exaltierten Gesang, dilettantische Spielweise, ironische Verwendung anderer Musikstile und Einsatz von Geräuschen und Lärm"), was vielleicht etwas oberflächlich ist. Auch die Definition unter https://all-about-music.fandom.com/de/wiki/Neue_Deutsche_Welle beschränkt sich auf wenige angeblich charakteristische Stilelemente (deutsche Sprache, häufige Rohheit und Kühle, Minimalismus). Ähnlich unergiebig ist die Wikipedia. Hinzu kommt, dass der Begriff eigentlich zwei verschiedene Musikbewegungen beschreibt (die sich wie alle anderen Musikstile natürlich überschneiden), zum einen die kurz nach dem Aufgreifen von Punk in (West)Deutschland entstandenen musikalischen Entgrenzungen, zum anderen die entstehende (west)deutsche Popmusik, die stilistische Inspirationen aus dem NDW-Untergrund aufgriff. (Seien wir ehrlich, vorher gab es nur Rock oder Schlager, von Ausnahmen wie die an den Phillysound angelehnten Produktionen von Marianne Rosenberg abgesehen.) Weshalb sich Frank Apunkt Scheider in seinem Werk "Als die Welt noch unterging" über die Versuche der Definition der NDW eher lustig macht.

Wie geht nun Frau Hornberger mit ihrem wissenschaftlichen Instrumentarium an das Thema heran? Sie geht davon aus, dass sich die NDW nur aus einer Gesamtschau von ökonomischer, historischer, musikalischer und kulturgeschichtlicher Perspektive beschreiben lässt. (Wobei meines Erachtens die gesellschaftspolitische Perspektive, ich sage nur "bleierne Zeit", mit dazugehört.)

Dass deutsche Texte ein wesentliches Merkmal der NDW sind/waren, ist wohl unstrittig. Englische Texte waren bei den frühen deutschen Punkbands wie den Razors noch akzeptabel, da ja auch die Musik sehr an die angloamerikanischen Vorbilder angelehnt war. In der NDW waren englische Texte aber ein No-Go, weshalb z.B. eine musikalisch durchaus typische Band wie die Fred Banana Combo in der NDW-Historie fast nicht auftaucht. Der Grund für deutsche Texte liegt meines Erachtens in dem Wunsch nach Abgrenzung zu der Verwendung englischer Texte in der älteren Musiker*innen-Generation, die allgemein als Krautrock beschrieben wird (oft ironisch gerechtfertigt als "Wir wollen auch in Finnland verstanden werden", was angesichts dürftiger PA-Anlagen Blödsinn war). Waren der englische Gesang der Krautrocker*innen zusammen mit ihrer Musik, insbesondere auch dem Einsatz von elektronischen Instrumenten, im Kern eine bewusste Abgrenzung zur Schlagerkultur der damaligen Elterngeneration, die alle langhaarigen Jugendlichen (Gammler!) in Arbeitslager schicken wollte (später war diesen Menschen das kurze bunte Haar der Punks genauso zuwider), so war der deutsche Gesang der NDW-Bands m.E. eine ebensolche bewusste Abgrenzung gegenüber den Krautrocker*innen. Zwar gab es unter diesen auch welche mit deutschen Texten, diese waren aber zumeist politisch motiviert (von Ton Steine Scherben bis Franz K.), damit ihr Publikum auch die jeweilige Message verstehen konnte. Agitatorische Texte waren aber kein Merkmal der NDW. Und dann gab es noch Kraftwerk, die textlich durchaus als NDW-Band gelten könnten. Denn der entscheidende Unterschied der NDW-Bands zu den Schlagersänger*innen war neben der Art des Gesangsvortrags die inhaltliche Thematik ihrer Songs. Dort wo die Texte äußerlich der Schlagerkultur ähnelten, sorgten Naivität, Provokation, Satire und ähnliches für eine erkennbare Abgrenzung, oder auch nur die Art des Gesangsvortrags wie bei Trio und Hubert Kah, oder auch eine Bezugnahme auf die Schlagerkultur vor der Machtergreifung der Nazis (etwas, was der deutschen Schlager konsequent vermied). Insofern lässt sich Nena klar von der NDW abgrenzen, denn ihre Liebeslieder wie „Nur geträumt“ waren immer ernst gemeint ohne eine Spur von Subversion. Nena ist nicht NDW, sondern deutscher Schlager-Pop. So wie z.B. UKW, Ace Cats, Spider Murphy Gang, Relax ...

Musikalisch ist eine Typisierung der NDW deutlich schwieriger, gerade bei dem Einsatz elektronischer Instrumente ist teilweise eine gewisse Ähnlichkeit in den Ergebnissen zu der Musik der Krautrocker*innen zu entdecken. Auch muss man wohl hier grundsätzlich von einer Abgrenzung zu den Stilmitteln von Krautrock und Schlager ausgehen, ansonsten war so ziemlich alles erlaubt. Ebenso wird oft die Frage gestellt, ob Musiker*innen, die bereits eine musikalische Geschichte vor der NDW aufzuweisen hatten, trotz der passenden Texte tatsächlich musikalisch zur NDW gehören, wie z.B. Trio, Ideal oder auch Weltschmertz (ein Projekt unter Beteiligung von Achim Reichel und Frank Dostal von Wonderland, die 1968 den deutschen Psychedelic-Hit "Moscow" veröffentlichten). Aber wie englische Punks früher oft Bowie-Fans waren, so haben auch die Musiker*innen der Untergrund-NDW eine musikalische Sozialisation vor Punk erfahren. So wird der Fehlfarben-Gitarrist Thomas Schwebel (ich glaube bei Teipel) mit der Aussage zitiert, dass er die mit dem Entdecken von Punk verkauften Chic-LPs später erneut gekauft habe, ein Einfluss, der auf der sträflich übersehenen dritten Fehlfarben-LP „Glut und Asche“ von 1983 deutlich zu hören ist. Musikalisch ist das eigentlich schon (guter) deutscher Pop. Letztendlich liegt es am jeweiligen persönlichen Geschmack oder eigenen ideologischen Präferenzen zu entscheiden, was Punk, Untergrund-NDW, Mainstream-NDW oder nichts von alledem ist. Mag das jeder für Extrabreit, Markus oder Geier Sturzflug selbst entscheiden.

PS: Ich befürchte ich habe weniger über Hornbergers Buch geschrieben als über meine eigenen Gedanken, daher hier noch ein Link zu einer anderen Rezension.

25.4.24

Best 1.000 Albums ever?

Vor einiger Zeit erreichte mich eine E-Mail eines gewissen Eric Berlin - keine Ahnung wie er auf mich gekommen ist – mit folgender Einladung:

I thought you might be interested in the best 1,000 albums ever project, which is rocketing past the halfway point with 500+ selections and counting (each with its own full blown article, the likes of which you won't find anywhere else!), covering rock, pop, hip hop, jazz, and every other genre you can think of!

Nachdem ich mir den Blog angesehen hatte schrieb ich folgende Antwort:

I think your project is totally useless as it does in no way represent music in general. yes, humans make music since thousends of years and the invention of the phonograph is only around 100 hundred years old so recorded music only represents a small part of the musical heritage of mankind. while scrolling through your list I noticed some women and people of colour but no music from africa, asia, south america or eastern europe, there is no classical or traditional music. how can you dare to say that only rock musicians make important albums? therefore your list is only white male bullshit.

Nun, Herr Berlin gibt selbst zu, nicht qualifiziert zu sein zu entscheiden, was die 1.000 besten LPs seien, und das alles basiere nur auf seinem persönlichen Geschmack. Aber dann wäre der Titel seines Projekts besser "Meine 1000 Lieblingsalben" oder so ähnlich gewesen, wenn man die im Titel behauptete Objektivität gar nicht leisten kann/will. Nur hätten sich dann wahrscheinlich weniger Menschen für seinen Geschmack interessiert.

Interessanter fand ich da schon den Blog "My Husband's Stupid Record Collection", der aber leider wegen der Schwangerschaft der Autorin vorzeitig endete und inzwischen ganz aus dem Netz verschwunden ist (nur noch Teile über das Internet Archive rekonstruierbar).

23.4.24

Weiss

Bret Easton Ellis "Weiss", Kiepenheuer & Witsch 2019

"Weiss" eignet sich hervorragend dazu, sich als Rezensent*in lächerlich zu machen, wie ihr gerne anhand der Amazon-Kundenrezensionen überprüfen könnt. Es ist so einfach das Buch als "endlich sagt es mal einer" zu loben, nur weil Ellis u.a. den Untergang der amerikanischen Linken beschreibt, die sich in Dogmatismus verfangen hat und den Realitäten verweigert. Als ob nicht das gleiche für die amerikanische Rechte und insbesondere Trump und seine Anhänger gelten würde. Alle sehen sich als Opfer, keiner ist mehr Täter. Ellis aber will nicht Opfer sein, sich nicht von anderen eine Weltanschauung/Haltung aufzwingen lassen. Wobei das auch eine zu eindimensionale Sicht auf das Buch wäre, denn es geht auch um darum, was Ellis in den letzten Jahren so gemacht hat, als ihm die Inspiration für ein neues Buch fehlte. Es geht um Drehbücher, Podcasts, Beziehungen und seine Jugend. Insoweit ist der Titel des Buchs teilweise (absichtlich?) irreführend.

Ja, das Buch ist ein paar Jahre alt, Trump nicht mehr Präsident, aber die Spaltung der amerikanischen Gesellschaft hat Biden nicht überwinden können. Und inzwischen ist dieser Niedergang der Linken - die Rechten waren schon immer mit einfachen Erklärungen zufrieden, unabhängig davon, wie sehr sie mit einer komplexen Realität kollidieren - auch in Deutschland angekommen. Es wird nicht mehr argumentiert, kritisch (auch sich selbst) hinterfragt, sondern mit falsch verstandenen Parolen Machtgelüsten gefröhnt, um sich über die eigene Machtlosigkeit hinwegzulügen. Öffentliches Nachdenken ist nicht mehr erlaubt, das Ergebnis muss von vorn herein feststehen.

Was macht das mit den Menschen? Ellis, der in Los Angeles aufgewachsen ist, kennt die Welt der Schauspieler*innen, er weiß darum, dass diese öffentlich eine Fassade pflegen, um sich weiterhin vermarkten zu können. Auch andere Menschen pflegen ihre Meinung nur im engsten Kreis zu offenbaren, keiner will Kunden verlieren, nur weil er/sie/es anderer Meinung ist. Auch wenn es sich scheinbar um ein amerikanisches Phänomen handelt, amerikanisch deshalb, weil dort es den Dualismus von Demokraten und Republikaner gibt, beschreibt Ellis ein auch in Europa anzutreffendes Phänomen. Gerade bei deutschen Politiker*innen fällt auf, dass diese plötzlich ganz anders reden, wenn sie aus der aktiven Politik ausscheiden. Wer vorher zu sehr seinen/ihren Standpunkt offenbart (von der Parteilinie abweicht wie Boris Palmer) macht sich angreifbar, was im übrigen auch im Alltagsleben gilt. Wer mit Kritik nicht umgehen kann schweigt lieber, zumal die Kritik inzwischen immer gewalttätiger wird. Ellis dagegen hat kein Problem sich angreifbar zu machen, denn er argumentiert. Leider verfangen Argumente heutzutage immer weniger.

21.4.24

Die Auch - Liesenblatwülst

Ich weiß nicht, ob es sich zum Zeitpunkt dieser Cassette noch um eine Band aus Hannover oder schon aus Bremen handelte. Wer diese Art von Musik mag sollte sich auch mal ILSE LAU, DIAMETRICS und IM GRUNDE GENOMMEN anhören.

Die Auch "Liesenblatwülst" (MC, .UR-Kult releases 048, 1997)
Bada Bada Mpa Mpa Mpa Bada Bada Mpa Mpa M / Nnbaden / Pubertät / Valentinstag / Schwoof / Talsperre //
Wand / Peter / 20 minuten / Orthopädisch I
Aufgenommen am 7. + 8.8.1996. Abgemischt und gemastered 12.96 bis 1.97. All dies mit Thomas Siebert in den Passierzettelstudios Hamburg unter Mithilfe von Yves Dos Santos. Dank an Go plus fürs Equipment und an Kante für die Unterbringung. ’Orthopädisch I’ live aufgenommen von Die Auch in der Galerie Herold, Bremen, 10.96. Mundharmonika: Eric Drooker.
DIE AUCH sind Frank – Gitarre, Lumpi – Bass/SK-8, Henning – Schlagzeug.
Kontakt: Henning Bosse, Bremer Str. 9, 28203 Bremen, Tel+Fax 0421/76815, e-mail: hbosse@zfn.uni-bremen.de
Alle Songs P & C 1994-96 DIE AUCH.
+
Die Auch: Sommer bleibt für immer (Silke Arp-Bricht Sampler93, 1993)
Die Auch: Einsame Männer (Silke Live '94, 1994)
Die Auch: Extrawurst (Silke Live '94, 1994)
Die Auch: Sportsfreund (Silke Arp-Bricht: Miniaturen, 1995)
(download)

19.4.24

Guitar Wolf/The Hawaiians, Lux 13.6.2022

Die Hawaiians beschreiben sich als Bubblegum Poppunk’n Roll-Trio, für mich klang es wie eine Mischung aus Ramones und Abstürzende Brieftauben. Eine dufte Partyband, von der man keine Schallplatte braucht. Die Band gibt es seit 20 Jahren.
Guitar Wolf gibt es dagegen fast doppelt so lange und sie sind oder er ist kein Kaugummi, sondern pures Nitroglycerin. Auch wenn an Bass und Schlagzeug neue unverbrauchte Kräfte kämpfen sieht man dem Wolf sein Alter nicht an. Bevor der Lärm beginnt werden erst mal 2 Flaschen Bier geext und vielleicht ist das das Geheimnis der ewigen Jugend von Guitar Wolf und seinem räudigen Rock’n’Roll.
Auf ein baldiges Wiedersehen in ca. 20 Jahren.

15.4.24

Gras


...gefunden im öffentlichen Bürgerschrank...

9.4.24

Musik mit Röntgenlicht retten

Forschende des PSI entwickeln eine Methode, um mit dem speziellen Röntgenlicht der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS Aufnahmen auf hochwertigen historischen Tonbändern zerstörungsfrei zu digitalisieren – darunter auch Schätze aus dem Archiv des Montreux Jazzfestivals – so zum Beispiel eine seltene Aufnahme des «King of the Blues», B.B. King.

Link: https://idw-online.de/de/news831476

7.4.24

Bezirksrat Südtstadt-Bult Februar 2024

Ich nehme mal an, dass die Mitglieder des Bezirksrat Südstadt-Bult die Hannoversche Allgemeine Zeitung lesen. Dort erschien am 3. April ein Artikel mit dem Titel "Was Klimaschutz mit dem Geschlecht zu tun hat". Thema war die Theorie des Eco-Gender-Gap, die gesellschaftliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern wie "Männer fahren mehr Autos, essen häufiger Fleisch und interessieren sich weniger für Umweltschutz" beschreibt. Das ähnelt den Beobachtungen im Kapitel "Kann Schneeräumen sexistisch sein?" in dem Buch "Unsichtbare Frauen. Wie eine von Daten beherrschte Welt die Hälfte der Bevölkerung ignoriert" von Caroline Criado-Perez. Die Autorin dokumentiert, wie eine auf die Bedürfnisse von berufstätigen Männern ausgelegte Verkehrspolitik Frauen, die zumeist mit Haus- und Carearbeit beschäftigt sind, benachteiligt, weil Frauen ganz andere Bewegungsmuster haben. Ihre Wege zu Fuß oder mit dem Fahrrad zum Einkaufen und zwecks Betreuung von Kindern und Verwandten sind andere als die Wege der Männer zu ihren Arbeitsplätzen (ja, es gibt auch öffentliche Verkehrsmittel, aber deren Planung richtet sich auch eher nach den Interessen von Männern). Es wäre somit nicht abwegig, eine Politik, die sich schützend vor das Auto stellt indem sie um des Erhalts von Parkplätzen willens Fahrradstraßen abschaffen möchte, als frauenfeindlich zu bezeichnen.
Ich behaupte nicht, dass dies ein bewusstes Handeln ist (wie ja Männer/weiße Menschen offenbar nie bewusst handeln, weil sie nicht wahrnehmen, dass es auch andere Blickwinkel auf Welt und Gesellschaft geben könnte), aber können wir uns heute noch das Fortführen von Traditionen, geprägt von früheren Politikergenerationen (gendern nicht erforderlich), erlauben? Gustav Mahler soll einmal gesagt haben: "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Soll heißen Tradition ist nur eine Ausrede dafür, über das eigene Handeln nicht nachzudenken, und Fehler/Irrtümer stetig zu wiederholen. Aber Bequemlichkeit ist nicht die Aufgabe von Politiker*innen, sondern gesellschaftliche Entwicklungen zu erkennen und zum Wohle aller Bürger*innen, also von Männern UND Frauen (und Anderen) Maßnahmen zu ergreifen. Wir wissen doch alle, dass Autos ein ökologisches Problem sind, aber wir sind (noch) nicht bereit, auf ihre Bequemlichkeit zu verzichten – zum Nachteil zukünftiger Generationen. Selbst die AfD weiß das (so ignorant können ihre Vertreter*innen in den Parlamenten gar nicht sein, sonst wären sie gar nicht in der Lage, dort ihre Spielchen zu treiben), auch wenn sie es leugnen, um verunsicherte und um ihren Wohlstand fürchtende Wähler*innen einzufangen. Andere Politiker*innen sind oft zu feige, dem kleinen Mann auf der Straße (und der kleinen Frau in der Küche) die Notwendigkeit gesellschaftlicher Anpassungen zu erklären, bzw. vor den möglichen Folgen von Nichthandeln zu warnen ("alternativlos" ist keine Erklärung, es gibt immer eine Alternative, die Frage ist aber stets, ob jemand bereit ist, die Folgen einer Alternative zu akzeptieren), die AfD bestreitet einfach die Notwendigkeit von Anpassungen und behauptet, eine Rückkehr in eine "gute" alte Zeit sei möglich.

Das Thema Fahrradstraßen in Südstadt-Bult ist zwar erst mal durch, aber die Diskussion um das Innenstadtkonzept von OB Belit Onay und hier zuletzt um die Parkplätze am Köbelinger Markt zeigen, dass frauenfeindliche Politik noch immer in den Köpfen von SPD, CDU und FDP steckt. Dem widerspricht nicht, dass es in der Februar-Sitzung des Bezirksrats (und auch im Stadtrat) heftige Kritik an den Sparplänen der Stadt gab, die die Schließung der Kinder- und Jugendbibliothek in der Südstadt vorsehen. Die Argumente, die gegen die Schließung der Kinder- und Jugendbibliothek sprechen, sind offensichtlich (die Alternative ist nicht ebenerdig zugänglich, sondern nur über eine Treppe und einen Fahrstuhl, in den kein Kinderwagen passt, die Fläche ist kleiner und sie liegt auf der anderen Seite einer Hauptverkehrsstraße). Das einzige Argument für die Schließung wären die eingesparten Mietkosten. Nicht dass die Stadt sich nicht für Kinder einsetzt, aber offenbar hat sie Angst, das andere Sparvorschläge (höhere Parkgebühren und ähnliches) mehr Widerstand hervorrufen. Bei Kindern sparen ist bequemer als bei Erwachsenen, obwohl diese mit ihrem Einkommen ihre Freizeitaktivitäten durchaus selbst bezahlen können und keine diesbezüglichen freiwilligen Leistungen der Kommune brauchen (aber vielleicht haben sie andere Interessen als die Projekte, mit denen sich Politiker*innen gerne schmücken und die Kulturschaffende für unentbehrlich halten (deutsche Leitkultur und so).

Was sonst noch so zu berichten? Das Ausscheiden von Bezirksratsmitgliedern und die Verpflichtung ihrer Nachfolger*innen hört nicht auf. Und am 15. Juni gibt es einen Sommerempfang an Stelle der bisherigen Neujahrsempfänge. Die Planungen für das Maschseefest drohen ebenfalls am Horizont.

Nachtrag: Wie ich gerade sehe gibt es in der kommenden April-Sitzung einen grünen Antrag, die Aufhebung der Fahrradstraßen rückgängig zumachen. Ich befürchte, der Antrag wird ohne große Diskussion keine Mehrheit finden. Ich fände es besser, wenn der Antrag in die Fraktionen gezogen wird und SPD, CDU und FDP sich mal zum Thema geschlechtergerechte Verkehrspolitik (siehe oben) kundig machen.

Sitzungsunterlagen | Protokoll

5.4.24

Weiße Weste mit Flecken

Dave Grohl und seine Foo Fighters gelten als eine der sympathischen Rockbands aller Zeiten. Eine Kapelle ohne Skandale, immer zu guten Taten bereit und ohne Rock’n’Roll-Lifestyle. Ist das überhaupt eine echte Rockband? Selbst der Tod ihres Schlagzeugers an einer Medikamentenüberdosis (in der Tradition von Tom Petty und Prince) löste nur Mitgefühle aus. Gibt es denn keine Flecken auf dieser weißen Weste?

Am 14. Januar 2000 spielten die Foo Fighters im Palace in Los Angeles ein Benefizkonzert für Christine Maggiore und ihre Organisation "Alive & Well Aids Alternatives". Maggiore hatte ein Buch veröffentlicht mit dem Titel "What If Everything You Thought You Knew About Aids Was Wrong?". 1992 wurde bei ihr Aids diagnostiziert, aber da sie nicht Teil einer der bekannten Risikogruppen war fand sie keine Hilfe. Eine Ärztin empfahl ihr Vitaminkuren, Aids sei also gar nicht so schlimm, sondern werde von Gesundheitsbehörden und Pharmafirmen dramatisiert, um staatliche Gelder zu kassieren (die große Pharma-Verschwörung). Doch Aids und das HIV-Virus sind real, 2005 starb ihre Tochter Eliza Jane im Alter von 3 Jahren, 2008 die Aids-Leugnerin selbst am HIV-Virus. Foo Fighters haben sich bis heute nicht für die Unterstützung einer Aids-Leugnerin entschuldig, aber offenbar daraus für den Umgang mit Covid 19 gelernt./

Siehe auch 48hills.org/2021/05/opinion-aids-denialism-in-the-rock-and-roll-hall-of-fame

3.4.24

Die Unbekannten - Dangerous Moonlight

Die Unbekannten - Dangerous Moonlight (12", Monogam 011, 1982)
Don't Tell Me Stories / Perfect Love //
Against The Wall / The Game
Alistair Gray / Mark Reeder
Recorded & mixed at Musiclab Berlin-West / Engineered by Frank Osterland / Don't Tell Me Stories engineered by Harris Johns / Produceb by Die Unbekannten
Additional Musicians: Thomas Wydler: Drums on Against The Wall / Danny Briottet: Timbales & Percussion on Don't Tell Me Stories / Abu Hamil: Vocal on The Game
Realisierung Cover: Film Palast / Spiritual Guidance: L.Leydicke (& Kevin)
(download)

1.4.24

Die Unbekannten - Die Unbekannten

Die Unbekannten - Die Unbekannten (12", Monogam 007, 1981)
Casualties / Radio War // Poseidon
Mark Reeder / Alistair Gray / Thomas Wydler
Aufgenommen: Music Lab Berlin
Foto: Hendrik Pastor
(download)