Manchmal muß man sich vergewissern, ob einmal erworbenes Wissen noch vollständig ist. Im Rahmen einer arbeitsrechtlichen Frage (Wissenschaftszeitvertragsgesetz) mußte ich mich wieder an die verschiedenen juristischen Auslegungsmethoden (Interpretation von Paragraphen) erinnern:
1.Der Wortlaut der Gesetzesnorm: was steht genau im Gesetz? Ist die Formulierung "Mittel Dritter" identisch mit den sogenannten Drittmitteln, unter denen im Allgemeinen Zusatzfinanzierungen außerhalb des Haushaltsplans für einzelne konkrete Projekte verstanden werden? "Mittel Dritter" kann aber ebenso verstanden werden als dass es sich um Mittel von Personen/Institutionen von außerhalb der Institution handeln muß. Aber steht ein Miteigentümer außerhalb der Firma, wenn er einen zusätzlichen finanziellen Beitrag für ein konkretes Projekt leistet?
2.Die Stellung der Rechtsnorm innerhalb eines Gesetzes: Gesetz sind üblicherweise hierarchisch aufgebaut, am Anfang stehen die allgemeinen Regeln und Definitionen, danach folgen Ausführungsregeln, Sonderfälle, Ausnahmen etc. Das bedeutet, eine Gesetzesnorm kann nur in dem Rahmen ausgelegt/interpretiert werden wie es die anderen im Gesetz stehenden Normen erlauben. Ein Gesetz z.B., dass nur für staatliche Einrichtungen gilt, kann nicht auf Privatfirmen angewendet werden.
3.Die historische Auslegung fragt danach, was der Gesetzgeber eigentlich wollte. So lassen sich z.B. unklare Formulierungen mit Sinn füllen. Probleme der Gesetzesanwendung entstehen auch, wenn sich der allgemeine Sprachgebrauch gewandelt hat und zum Zeitpunkt der Entstehung eines Gesetzes Worte einen anderen Bedeutungsgehalt hatten. Im Grundgesetz ist die Rede davon, dass alle Staatsgewalt vom Volk ausgeht und in Wahlen und Abstimmungen ausgeübt wird, aber nur an einer Stelle werden im Grundgesetz konkret Volksabstimmungen erwähnt. War es tatsächlich Wille der Mütter und Väter des Grundgesetzes, dass bis auf eine Ausnahme das Volk nur wählen darf, oder hat das Fehlen weiterer ausführender Bestimmungen den Grund, dass man dem Volk so kurz nach dem Ende des Nationalsozialismus noch nicht recht über den Weg traute, aber die Möglichkeit direkter Demokratie für künftigen Generationen offen halten wollte?
4.Die sogenannte teleologische Auslegung ist im Prinzip ein Gegenstück zur historischen Auslegung, denn sie fragt nach dem (heutigen) Sinn und Ziel einer Rechtsnorm. Und die können sich im Lauf der Zeit gewandelt haben. Nur so ist es möglich Gesetze aus der Zeit des Nationalsozialismus noch heute anzuwenden, indem gefragt wird, welchen Sinn ein solches Gesetz noch heute haben könnte.