> Mittwoch, 24.05.2006
> 23.15 - 2.39 Uhr
> im WDR Fernsehen
> No Direction Home - Bob Dylan
> Dokumentarfilm, USA 2005
> Dokumentation von Martin Scorsese über eine
> DER amerikanischen Musiklegenden, die in ihrer
> Komplexität über ein Porträt des Künstlers als
> junger Mann weit hinaus reicht
Okay, Bob Dylan ist ein kein Held von mir, aber Respekt gebührt ihm in jeden Fall (für was auch immer), und Biografien von Rockmusikern sind oft unabhängig von ihrer Musik interessant. Also den Videorecorder angeschmissen (Sendetermin nimmt keine Rücksicht auf die arbeitende Bevölkerung, so wie Anfangszeiten von Punkkonzerten) ...
Dann kam diese Mail von Christoph: "Bob Dylan trotz Untertitel bis zum Ende durchgehalten. Am faszinierendesten fand ich die Pressekonferenzen - was sollte er auf solch bekloppten Fragen auch antworten? Vor dem Hintergrund versteht man auch Dylans Spruch zu Bono, als er sagte, dass Bono froh sein könne, immer eine Band hinter sich gehabt zu haben. Die Beatles und Stones konnten sich gegen die Medien ja noch gemeinsam stark machen oder gegenseitig die Bälle zuspielen. Aber Bob saß da immer ganz alleine. Doch ein Rätsel bleibt auch nach dem Film. Wie raffiniert und intelligent ist er wirklich? Wieviel Berechnung war bei ihm im Spiel? Und woher kamen die Texte, deren intellektuelles Niveau er in Interviews in keinster Weise bestätigt? Wollte er eigentlich in Ruhe gelassen werden oder war ihm die große Bühne zum Ausleben seiner pubertären Mürrischkeit eine Genugtuung oder ein Spaß? Auch der alternde Dylan lässt uns ja darüber im Unklaren. Und das macht die Sache besonders spanndend."
Meine Antwort: "Gestern abend habe ich endlich Zeit - und Lust - gefunden, mir das Video reinzuziehen. Genau, die Pressekonferenzen waren echt die Schau, und ich habe festgestellt, dass die Reporter schon damals extrem faul waren, machen Interviews mit Künstlern ohne sich vorher deren Platten anzuhören und stellen Fragen deren antwort sie eigentlich selbst geben müssten. Es ist nicht Aufgabe des Künstlers sich zu erklären und interpretieren, sondern das ist Aufgabe der Journalisten - aber die sind zu faul, selbst nachzudenken. Vielleicht ist Greil Marcus der einzige Journalist, der seinen Job ernst nimmt, obwohl seine Methode, über Künstler zu schreiben, ohne sie zu interviewen vielleicht doch etwas fragwürdig ist. (Andererseits, wenn man so manches Interview z.B. auch in der SPEX liest fragt man sich, ob nicht vielleicht der/die KünstlerIn das Zeilengeld bekommen sollte an Stelle des/der AutorIn). Sehr interessant fand ich auch diese Preisverleihung, wo Dylan es abgelehnt hat irgendein Vorbild zu sein oder eine politische Leitfigur. (Der Druck nach dem Mord an Kennedy auf ihn muss ja gewaltig gewesen sein, vielleicht kann man sich das gesellschaftliche Klima in den USA damals, dass ja auch die Fab Four nach oben brachte, garnicht richtig vergegenwärtigen.) Ich denke, Dylan ist der klassische Künstler, der außerhalb der Gesellschaft steht, insofern "unpolitisch" ist, weil er sich nicht direkt einmischt, - oder eher sich auf keinen Fall von Niemanden vereinnahmen lassen möchte - obwohl er natürlich auch eine Meinung hat (Liegt das auch vieleicht die Bruchlinie zu Joan Baez?). Diese Aussage von sich selbst, er sei immer unterwegs gewesen, erinnert mich auch stark an Max Ernst, der es als sein Glück bezeichnet hat, sich nie selbst gefunden zu haben. (Oder ist seine Elektrifizierung nur eine Strategie gewesen, politischen Vereinnahmungen durch die Folkies auszuweichen?) Und krass natürlich auch die Bilder von der England-Tournee mit den ganzen Schmähungen, aber der Kommerzvorwurf ist doch sowas von daneben, denn wenn er nur das gemacht hätte, was das Publikum erwartet hätte, das wäre doch der reine Kommerz gewesen. (Schließlich war er mit seiner Elektrifizierung ja noch nicht beim Pop-Publikum angekommen, sich ins gemachte Nest setzen zu versuchen (Dieter Bohlen, Ralph Siegel usw.), das ist Kommerz. Dylan musste das Pop-Publkum erst noch von seinen Texten überzeugen, die waren ja nicht der übliche Teenie-Schmonz.)"
Schade dass es solche guten Dokumentarfilme nicht über neuere Künstler gibt, aber vielleicht hatte sie in einer langweiligeren Zeit Erfolg (Deutscher Herbst z.B.) oder in der falschen Gegend?
Link: Dead Popstars