16.8.22

Schweigen ist keine Zustimmung

Nein, mein gestriges Posting war kein Kommentar zu der Impfgegner-Demo, der ich öfter mal Montags abends auf dem Heimweg in der Hannoverschen Innenstadt über den Weg laufe (und samstags treffe ich gelegentlich auf einen ähnlichen Autokorso). Das Hirntot-Foto entstand vor ein paar Wochen am südlichen Rand von Hannover, als ich beschloss einen älteren analogen Film endlich voll zu machen. Ich würde auch nie (NIE!) wagen Impfgegner als hirntot zu bezeichnen - "merkbefreit" ist glaube ich die treffendere Vokabel.
So trug einer der Demo-Teilnehmer ein Plakat mit der Aufschrift "Wer schweigt stimmt zu". Das ist bekanntermaßen falsch, denn wer schweigt äußert ja gar keine Meinung, weder zustimmend noch ablehnend. Das Schweigen als Zustimmung zu interpretieren ist böse gesagt eine geistige Vergewaltigung.
Man stelle sich mal vor, man müsste jede Aufforderung einen (Kauf)Vertrag abzuschließen sofort widersprechen: "Du wolle kaufe Drogen? Du nichts sagen? Du mir schulden 1000 Euro, aber pronto, sonst ich tu dich Messer". E-Mails löschen würde auch nicht mehr ausreichen, man müsste allen sofort widersprechen und die Spam-Mails würden zahlenmäßig explodieren. Deshalb gilt im deutschen Recht - und vermutlich auch in den meisten anderen Rechtsordnungen - die Regel, dass Schweigen KEINE Zustimmung ist, es sei denn im Gesetz ist ausdrücklich das Gegenteil geregelt (z.B. im Handelsrecht muss ein*e Kaufmann/Kauffrau einem Angebot ausdrücklich widersprechen, andernfalls kommt ein Vertrag zu Stande).
Gleiches gilt auch in der Politik, wer an einer Wahl nicht teilnimmt stimmt damit weder den "Wahlgewinnern" (angesichts den hohen Anteils von Nichtwählern vertritt keine Regierung die Mehrheit der Bevölkerung) noch der Opposition (die noch weniger Menschen vertritt) zu, das einzige was aus seinem/ihrem Schweigen herausgelesen werden könnte ist dass es dem/der Nichtwähler*in egal ist wer sie regiert (andernfalls würden er/sie/es sich ja irgendwie irgendwo irgendwann politisch engagieren). Aber eine Zustimmung ist das Schweigen nicht. Wer immer also behauptet die schweigende Mehrheit zu vertreten ist ein*e Lügner*in, er/sie/es ist nur Teil einer schreienden Minderheit.
Somit ist die Unterstellung dass wer schweigt zustimmen würde eine Beleidigung gegenüber denjenigen, die nicht an der Demo teilnehmen, als ob diese nicht zum eigenständigen Denken in der Lage wären. Die Unterstellung widerspricht sogar der Idee der Demonstration an sich, nämlich die Mitmenschen von dem eigenen Anliegen zu überzeugen. Mit Beleidigungen schreckt man sie aber im Gegenteil ab. Im Übrigen bedeutet Schweigen gerade nicht dass man sich keine Gedanken macht. Schweigen kann im Gegenteil sehr hilfreich dabei sein sich Gedanken zu machen. Somit gilt weiterhin, dass die Gedanken frei sind - solange sie nicht den Kopf verlassen.

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