5.7.21

Carl Peters-Denkmal - ja oder nein?

Es gibt eine Unterschriftensammlung zum Abriss des Carl Peters-Denkmal auf dem Bertha von Suttner-Platz im Stadtteil Südstadt von Hannover. Meine Unterschrift kriegen sie nicht, denn - seien wir ehrlich - der Rassismus in der bundesdeutschen Gesellschaft wird dadurch nicht weniger. Weiterhin werden Polizist*innen racial profiling betreiben, werden Menschen mit nicht-deutschen Namen bei der Wohnungssuche benachteiligt und müssen Jobs unter ihrer Qualifikation annehmen. Nein, der Abriss des Denkmals ändert nichts, er ist ein leeres Symbol, so wie Lichterketten ermordete Menschen nicht wieder lebendig machen. Der Abriss macht Rassismus vielleicht weniger sichtbar, aber ändert nichts an diesem. Das einzige was er schafft ist ein gutes Gewissen bei denjenigen, die den Abriss befürworten, weil sie glauben ernsthaft etwas gegen Rassismus getan zu haben. Aber damit ließe sich auch die Einebnung der Gedenkstätten in Dachau, Bergen-Belsen und so weiter rechtfertigen als ein Kampf gegen Antisemitismus. Nein, genauso wie die Gedenkstätten in Dachau, Bergen-Belsen und anderswo muss auch das Carl Peters-Denkmal als Erinnerung an die mörderische Kolonialgeschichte Deutschlands bestehen bleiben. Zumal das Denkmal auf seiner Vorderseite auch gar kein Portrait von Peters zeigt, sondern einen Adler über der Silhouette von ganz Afrika und nicht nur der Kolonie Deutsch-Ostafrika. Peters Portrait befindet sich auf der rechten Seite, ist aber kaum erkennbar weil total zugewachsen. Es war kein Denkmal für Peters allein, sondern genauso als Verherrlichung der deutschen Kolonialgeschichte in Afrika insgesamt, die auch Togo, Kamerun und Deutsch-Südwestafrika umfasst, geplant. Diese Wirkung entfaltet der Steinklotz aber nicht mehr auf Grund jahrzehntelanger fehlender Pflege. Zudem ist die Wirkung des Denkmals schon mit dem vor 33 Jahren angebrachten Schriftband "Dieses Denkmal wurde im Jahr 1935 durch die Nationalsozialisten errichtet. Es stand für Verherrlichung des Kolonialismus und des Herrenmenschentums. Uns aber ist es Mahnung - der Charta der Menschenrechte entsprechend - uns einzusetzen für die Gleichberechtigung aller Menschen, Völker und Rassen." gebrochen wurden, auch wenn dieses inzwischen nur noch schwer lesbar ist. Hier wird nun aktuell kritisiert, dass dieses Schriftband das Wort Rasse enthält, obwohl es keine Menschenrassen gibt. Allerdings nimmt das Schriftband Bezug auf die Charta der Menschrechte und dort wird das Wort Rasse in Artikel 2 und 16 verwendet, ebenso in Artikel 3 des Grundgesetzes, in Artikel 21 der Charta der Grundrechte der europäischen Union, in Artikel 9 der Europäischen Datenschutzgrundverordnung und und und, es ist also in guter Gesellschaft. Andererseits ist Rasse wohl mehr oder minder bedeutungsgleich mit dem Wort Völker, also eventuell auch verzichtbar. Von einer Umgestaltung dieses Steinklotzes spricht aber bisher niemand.
Interessant ist aber, warum das Thema jetzt plötzlich auftaucht. Meine Vermutung ist, dass es etwas mit der Berichterstattung über das geplante Versöhnungsabkommen zwischen Deutschland und Namibia und der Kritik an den Verhandlungen zu tun hat. Dazu wäre zu sagen, dass ein direktes Abkommen zwischen Deutschland und den Nachkommen der Hereros und Namas unter Umgehung der Regierung von Namibia ein diplomatischer Eklat ersten Ranges wäre, (unabhängig von der Frage ob es überhaupt eine einheitliche Vertretung der Hereros und Namas gibt). Bedauerlicherweise aber sind die Hereros und Namas heute ethnische Minderheiten in Namibia, etwa 50% aller Namibianer*innen sind Owambos, die somit auch großen Einfluss in Regierung und Verwaltung haben. Sie haben keine so schlechten Erinnerung an die deutsche Kolonialzeit und daher sind sie nicht so engagiert in den Verhandlungen mit Deutschland, weil sie keinen unmittelbaren Vorteil davon haben. Die Kritik an den Verhandlungen sollte sich daher zu großen Teilen an die Vertreter der Verhandlungskommission Namibias richten (wo wir dann beim Thema innerafrikanischer Rassismus wären, den wir gerade in Südafrika erleben). Ob das Angebot der bundesdeutschen Regierung angemessen ist ist natürlich eine andere Frage, schließlich lauern im Hintergrund hier noch von polnischen Politiker*innen geforderte Reparationszahlungen für die im deutschen Namen im 2. Weltkrieg begangenen Verbrechen. Möglicherweise schauen auch noch ganz andere Staaten auf diese Verhandlungen, vielleicht kommt ja z.B. Algerien auf die Idee Entschädigungen für die französische Kolonialzeit zu verlangen. Aktuell gibt es in den USA Forderungen nach finanzieller Kompensation für die Sklaverei (wussten sie, dass die Sklavenhalter*innen damals für die Aufhebung der Sklaverei finanziell entschädigt wurden?!), und was ist eigentlich mit dem Völkermord an den sogenannten Indianern? Andererseits wie begründet sich ein Anspruch der Nach-Nach-Nachkommen auf finanzielle Entschädigung der Leiden ihrer Vorfahren? Ist ihre wie auch immer geartete Lage tatsächlich allein den damaligen Verbrechen geschuldet? Namibia war seit 1920 bis zur Unabhängigkeit faktisch 70 Jahre lang eine südafrikanische Kolonie (allerdings bezweifle ich, dass die Buren den Landraub der Deutschen rückgängig gemacht haben, insofern ist die soziale Lage von Hereros und Namas wohl durchaus auch auf die Kolonialverbrechen der Deutschen zurückzuführen).

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